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Sturz der Tage in die Nacht

Sturz der Tage in die Nacht

Titel: Sturz der Tage in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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Die machen deine Leberblümchen nicht kaputt.«
    »Nein?« Guido lachte höhnisch. »Die meisten kommen her, weil sie sich einbilden, dass der Kaffee auf der Insel anders schmeckt. Von wegen Vogelgucker«, sagte er. »Der Norden boomt. Nicht lange, und die bauen hier einen Klopper von Hotel hin.«
    »Ins Naturschutzgebiet?«
    »Noch«, sagte Guido, »ist das Naturschutzgebiet.« Er trug an diesem Tag eine Brille, ein altmodisches Gestell, bei dem die Bügel um die Ohren gebogen wurden. »Aber lange wird man die Insel nicht mehr schützen können.« Er sah mich provozierend an. »Dann dürfte man bestimmte Leute hier nämlich gar nicht drauflassen.«
    »Man könnte pro Tag nur eine bestimmte Anzahl Leute drauflassen.«
    »Das meine ich nicht.« Guido legte lässig ein Bein quer übers andere und lehnte sich zurück. »Ich meine bestimmte Leute. Ich meine Leute, die denken, sie tun der Natur was Gutes, wenn sie gucken, wie sie funktioniert.«
    »Du bist einer von diesen Fundis, oder?«
    »Was dagegen?«
    Ich lehnte mich auch zurück. »Inez hat erzählt, hier gab es schon vor hundert Jahren Landwirtschaft. Welcher Natur, glaubst du, wird dann was Schlechtes getan?«
    »Sind bei euch alle so spitzfindig?«
    »Nur wenn man uns provoziert.«
    »Ich habe dich nicht provoziert. Ich rede nur Klartext. Was nämlich Inez angeht«, sagte er, »sind das genau die Leute, die ich meine.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Aha«, sagte Guido, »soll ich dir mal was sagen?«
    »Wenn sich’s nicht vermeiden lässt –.« Ich sah in die Zeitung.
    »Vor hundert Jahren gab’s hier noch keine deutsche Forscherin, die Vogelbeine zählt und zum Ausgleich mit solchen Flachwichsern wie dir rummacht.«
    Er sah mich abwartend an.
    »Glaubst du, nur, weil du die Chefin fickst, kannst du hier dein Maul aufreißen«, sagte er, und da hatte ich mich nicht mehr im Griff, ich riss ihn vom Stuhl hoch, stieß ihn an die Hauswand und packte sein Kinn. Ich schob Guidos Kinn hoch, wie es im Jugendprojekt mal einer mit mir gemacht hatte, und obwohl ich nicht darauf achtete, was ich tat, hörte ich es knirschen, roch seinen Kaffeeatem und sah, wie Guidos Mund und das gesamte Gesicht sich verschoben. Unter der anderen Hand spürte ich, wie ich an der weichen blauen Weste langsam abrutschte. Aber da senkte sich Feldbergs Hand auf meine Schulter.
    »Mal halblang, Jungs! Wenn ihr euch prügeln wollt, braucht ihr ’n Kampfrichter und ein, zwei Regeln. Erste Regel, loslassen, wenn der andere darum bittet. Guido, ich kann dich nicht hören.«
    Guido versuchte, mir in die Eier zu treten, aber Feldberg war schneller.
    »Loslassen, Erik. Und du setzt deine Brille wieder auf und machst ’n Abflug.«
    »Ich denk nicht dran«, sagte Guido und hielt sein Kinn in den Händen.
    »Nein?« Feldberg rückte seinen Hut zurecht und setzte sich hin. »Du möchtest dich auch mit mir anlegen?« Er fing an, in der Zeitung zu blättern.
    »Ich soll abhauen, wo dieser Flachwichser
mich
angegriffen hat?«
    »Es gibt interessantere Motive als die männliche Ehre.« Feldberg goss sich aus der Thermoskanne, die auf dem Tisch stand, Kaffee ein. Es war der Becher, aus dem ich zuvor getrunken hatte.
    »Fährst du jetzt auf Mösenlecker ab«, sagte Guido.
    »Es gibt auch interessantere Arten, sich auszudrücken.«
    »Ich glaub, du kriegst hier was nicht mit, Rainer«, sagte Guido. »
Ich
steh für die gute Sache ein! Oder hast du auf einmal die Seiten gewechselt?«
    Als Feldberg nichts erwiderte, setzte er seine Brille auf und sagte: »Scheiße, echt. Immer dasselbe mit euch deutschen Bratwurstfressern: Ihr bildet sofort eine geschlossene Front.«
    Er wischte die Zeitung vom Tisch, die Feldberg ruhig wieder aufhob, und ging.
    »Das hat doch nichts mit Deutschland zu tun«, rief ich ihm hinterher.
    »War ich zu früh?«, sagte Feldberg zu mir. »Hätten Sie ihn lieber richtig zusammengeschlagen?«
    »Wie bitte?«
    »Was hat er Ihnen denn getan?« Feldberg trank, dann hielt er inne. »Das war Ihre Tasse, oder? Entschuldigen Sie, das war mir gar nicht aufgefallen.«
    »Schon okay.«
    Feldberg nickte. »Oder hätten Sie statt Guido lieber mich am Schlafittchen gehabt.« Er goss in aller Ruhe den Kaffee in Guidos Becher auf und schob mir den Becher hin. »Aber ich biete Ihnen zu wenig Angriffsfläche, nicht wahr?«
    »Ich bin nicht der Typ, der sich prügelt.«
    »Vielleicht würden Sie gern jedes Detail, das ich von Inez weiß, aus mir herausprügeln, weil sie selbst es Ihnen nicht sagt«, sagte

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