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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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und dem Bild seines Bruders, eine Schachtel Patronen und seinen Revolver, einen Nagant M1895, den er von einem Hauptmann des russischen Heeres beim Kartenspiel gewonnen hatte. Er prüfte die Patronen in der Trommel; die Waffe war voll geladen. Er stopfte sich das Geld, den Pass und die Waffe in die Manteltaschen.
    Oben entdeckte er Grigoris Pappkoffer mit dem Kugelloch. Dort hinein packte er die Munition, sein zweites Hemd, die andere Garnitur Unterwäsche und zwei Päckchen Spielkarten.
    Eine Uhr besaß er nicht, aber er schätzte, dass fünf Minuten vergangen waren, seit er Billy gesehen hatte. Damit blieb ihm eine Viertelstunde, um zum Bahnhof zu gelangen, und das genügte.
    Von der Straße draußen hörte er die Stimmen mehrerer Männer.
    Er wollte keinen Kampf. Er war zäh, die Bergarbeiter aber auch. Selbst wenn er siegte, verpasste er den Zug. Natürlich konnte er den Revolver benutzen, aber in diesem Land nahm die Polizei die Fahndung nach Mördern ernst, selbst wenn das Opfer niemand Wichtiges gewesen war. Zumindest würden die Passagiere an den Kais überprüft, und er hätte es schwer, sich eine Fahrkarte zu kaufen. Auf jeden Fall wäre es das Beste, wenn er die Stadt verließ, ohne dass es zu Gewalttätigkeiten kam.
    Lew ging zur Hintertür hinaus und eilte den Weg entlang, so leise er es mit seinen schweren Stiefeln vermochte. Die Erde war schlammig, wie fast immer in Wales; deshalb machte er kaum ein Geräusch.
    Am Ende des Weges bog er in eine Gasse ein und trat dann ins Licht. Das Abortgebäude mitten auf der Straße schützte ihn vor der Entdeckung durch jemanden, der vor seinem Haus stand. Er eilte davon.
    Zwei Straßen weiter wurde ihm klar, dass sein Weg ihn am Two Crowns vorbeiführte. Er blieb stehen und dachte einen Augenblick nach. Er kannte die Stadt; die einzige andere mögliche Strecke zum Bahnhof hätte es erforderlich gemacht, dass er zurückging. Aber die Männer, deren Stimmen er gehört hatte, konnten noch immer in der Nähe seines Hauses sein.
    Lew musste es mit dem Two Crowns riskieren. Er folgte einer weiteren Gasse und gelangte auf den Weg, der hinter der Kneipe vorbeiführte.
    Als er an den Schuppen kam, in dem sie Karten gespielt hatten, hörte er Stimmen und konnte zwei Männer ausmachen, die sich im Licht der Straßenlaterne am anderen Ende des Weges abzeichneten. Lew lief die Zeit davon, aber er blieb stehen und wartete. Er hielt sich nahe an einem hohen Holzzaun, damit er nicht so deutlich zu sehen war.
    Die Männer schienen ewig dort stehen zu wollen. »Na los«, flüsterte er. »Wollt ihr nicht wieder ins Warme?« Der Regen tropfte von seiner Mütze und lief ihm in den Nacken und den Rücken hinunter.
    Endlich gingen die Männer zurück ins Haus, und Lew trat aus seiner Deckung und eilte voran. Ohne Zwischenfall kam er an der Scheune vorbei, doch als er sich entfernte, hörte er erneut Stimmen. Er fluchte. Die Gäste tranken seit dem Mittag Bier; mittlerweile mussten sie regelmäßig den Weg aufsuchen. Er hörte, wie jemand ihm hinterher rief: »Aye, Kumpel.« »Kumpel« war ihr Wort für Freund. Wenn es benutzt wurde, hatte man ihn noch nicht erkannt.
    Lew tat so, als hätte er nichts gehört, und ging weiter.
    Hinter sich hörte er ein gemurmeltes Gespräch. Die meisten Wörter waren unverständlich, aber er glaubte, einen Mann sagen zu hören: »Sah aus wie ein Russki.« Russische Kleidung unterschied sich von britischer, und Lew vermutete, dass die Männer im Licht der Straßenlaterne, der er sich rasch näherte, den Schnitt seiner Jacke und die Form seiner Mütze erkennen konnten. Dennoch, Männer, die hinten aus der Kneipe kamen, hatten normalerweise ein dringendes Bedürfnis, und er rechnete nicht damit, dass sie ihm folgten, ehe sie ihre Blasen geleert hatten.
    Lew bog in die nächste Gasse ab und verschwand aus dem Blickfeld. Leider bezweifelte er, dass er auch aus den Gedanken der Männer verschwunden wäre. Spirja musste mittlerweile seine Geschichte erzählt haben, und irgendjemandem dürfte bald dämmern, was es zu bedeuten hatte, wenn ein russisch gekleideter Mann mit einem Koffer in der Hand eilig in Richtung Stadtzentrum wollte.
    Er musste den Zug bekommen.
    Lew rannte los.
    Die Bahnlinie folgte dem Talgrund; deshalb führte der Weg zum Bahnhof stetig bergab. Lew rannte leichtfüßig und mit langen Schritten. Über die Dächer hinweg konnte er bereits die Lichter des Bahnhofs erkennen. Als er näher kam, sah er den Rauch aus dem Schornstein eines Zuges, der

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