Sturz der Titanen
bestrafen.«
Und du kommst unbeschadet davon, dachte Lew. »Also gut, ich tu’s«, sagte er. Kaum hatte er den Satz beendet, begriff er, dass er zu schnell eingelenkt hatte.
Mit seinen nächsten Worten bestätigte Spirja, dass er so leicht nicht zu täuschen war. »Ich werde es nachprüfen«, sagte er. »Und sollte ich herausfinden, dass du dein Versprechen vor mir und Gott gebrochen hast, werde ich deinen Opfern deine Verbrechen offenbaren.«
»Und sie werden mich umbringen. Gute Arbeit, Vater.«
»Es ist der beste Ausweg aus einem moralischen Dilemma, mein Sohn. Mein Pope ist der gleichen Ansicht. Also schlag ein oder lass es.«
»Mir bleibt ja keine Wahl.«
»Gott segne dich, mein Sohn«, sagte Spirja.
Lew ging davon.
Er verließ Ty Gwyn und kehrte durch den Regen nach Aberowen zurück. Er kochte vor Wut. Typisch Pope, dachte er, einem Mann die Möglichkeit zu nehmen, etwas aus sich zu machen. Spirja ging es jetzt gut; er bekam bis an sein Lebensende Essen, Kleidung und Unterkunft von der Kirche und den Hunger leidenden Gläubigen bezahlt, die Geld spendeten, das sie gar nicht entbehren konnten. Für den Rest seines Lebens hätte Spirja nichts weiter zu tun, als den Gottesdienst zu feiern und die Chorknaben zu befingern.
Was sollte er, Lew, nun anfangen? Wenn er das Kartenspiel aufgab, brauchte er ewig, um genug Geld für seine Überfahrt zu sparen. Er wäre dazu verurteilt, sich noch jahrelang eine halbe Meile unter der Erde um die Grubenponys zu kümmern. Und niemals könnte er sein Versprechen einlösen und Grigori das Geld für die Überfahrt nach Amerika schicken.
Auf Nummer sicher gegangen war er noch nie.
Er marschierte zum Two Crowns. In Wales wurde der Sabbat geheiligt, und Kneipen durften an Sonntagen nicht öffnen, doch in Aberowen nahm man es mit den Vorschriften nicht so genau. Im Ort gab es nur einen Polizisten, und der hatte sonntags frei, wie die meisten Leute. Um den Anschein zu wahren, hielt das Two Crowns die Vordertür geschlossen, aber die Stammgäste kamen durch die Küche herein, und das Geschäft lief wie an jedem anderen Tag.
An der Theke standen die Ponti-Brüder, Joey und Johnny. Sie tranken Whisky, was ungewöhnlich war. Bergarbeiter begnügten sich normalerweise mit Bier. Whisky war ein Getränk für die Reichen, und im Two Crowns hielt eine Flasche wahrscheinlich von einem Weihnachtsfest zum nächsten.
Lew bestellte sich einen Krug Bier und sprach den älteren Bruder an. »Aye, aye, Joey.«
»Aye, aye, Grigori.« Lew benutzte noch immer den Namen seines Bruders, der im Pass stand.
»Hast wohl was zu feiern, Joey?«
»Aye. Ich und der Junge, wir waren gestern nach Cardiff, Boxen gucken.«
Die Brüder sahen selbst wie Boxer aus, fand Lew: zwei breitschultrige, stiernackige junge Männer mit riesigen Pranken. »Und, war es gut?«, fragte er.
»Darkie Jenkins gegen Roman Tony. Wir haben auf Tony gesetzt, weil er Italiener ist wie wir. Bei dreizehn zu eins. Er hat Jenkins nach drei Runden auf die Bretter geschickt.«
Lew hatte manchmal seine Schwierigkeiten mit dem Englischen, aber was »dreizehn zu eins« bedeutete, wusste er. Er sagte: »Ihr solltet mitkommen und Karten spielen. Ihr habt …« Er zögerte; dann fiel ihm der Ausdruck wieder ein. »Ihr habt eine Glückssträhne.«
»Nee, ich will’s nich’ so schnell verlieren, wie ich’s gewonnen hab«, sagte Joey.
Doch als die Runde sich eine halbe Stunde später in dem Schuppen zusammenfand, waren Joey und Johnny dabei. Der Rest der Spielrunde setzte sich aus Russen und Walisern zusammen.
Sie spielten eine einheimische Art des Poker namens Three-Card Brag. Lew mochte das Spiel. Die Spieler erhielten nur drei Karten, mehr wurden nicht ausgegeben, und man konnte auch nicht austauschen; dadurch ging das Spiel sehr schnell. Wenn ein Spieler den Einsatz erhöhte, musste der nächste im Kreis sofort mitziehen – er konnte nicht im Spiel bleiben, indem er nur den Originaleinsatz bot –, also wuchs der Pot sehr schnell an. So ging es weiter, bis nur zwei Spieler übrig waren, von denen einer schließlich die Runde beenden konnte, indem er den vorherigen Einsatz verdoppelte, was seinen Gegner zwang, sein Blatt aufzudecken. Das beste Blatt war ein Dreier, den man Prial nannte, und der höchste Prial wiederum bestand aus drei Dreien.
Lew hatte einen angeborenen Instinkt für Wahrscheinlichkeiten und hätte beim Kartenspiel auch ohne Täuschung gewonnen, doch das ging ihm zu langsam.
Der Geber der Karten wechselte mit
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