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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Tisch in Ethels Küche: Billy, Tommy, Ethel und Mildred. Der Abend war warm, und die Tür zum Garten hinter dem Haus stand offen. Auf dem Fliesenboden spielten Mildreds zwei kleine Mädchen mit Lloyd. Enid und Lillian waren drei und vier Jahre, aber Billy konnte sie immer noch nicht auseinanderhalten. Der Kinder wegen hatten die Frauen nicht ausgehen wollen, und so waren Billy und Tommy losgezogen und hatten in der Kneipe ein paar Flaschen Bier geholt.
    »Das wird schon gehen«, sagte Mildred zu Billy. »Du bist schließlich ausgebildet worden.«
    »Aye.« Viel Zuversicht hatte die Ausbildung Billy allerdings nicht eingeflößt. Sie waren viel marschiert, hatten viel salutiert und mit dem Bajonett geübt. Er hatte aber nicht das Gefühl, dass ihm beigebracht worden war, wie man überlebt.
    »Wenn die Deutschen alle nur Vogelscheuchen an Holzpfählen sind«, sagte Tommy, »können wir sie ja mit unseren Bajonetten aufspießen.«
    »Aber ihr könnt doch mit euren Gewehren schießen, oder nicht?«
    Eine Zeit lang hatten sie mit rostigen, schadhaften Gewehren geübt, in die » D . P .« eingestanzt war – »Drill Purposes«, »nur für Ausbildungszwecke« –, was bedeutete, dass mit diesen Waffen nicht geschossen werden konnte. Dann aber hatte jeder von ihnen ein Zylinderverschlussgewehr vom Typ Lee-Enfield mit abnehmbarem Magazin für zehn .303-Patronen erhalten.
    Billy erwies sich als ziemlich guter Schütze. Er konnte das Magazin in deutlich weniger als einer Minute leeren und trotzdem ein menschengroßes Ziel auf dreihundert Yards treffen. Das Lee-Enfield-Gewehr war für seine hohe Feuergeschwindigkeit berühmt, hatte man den Rekruten gesagt: Der Weltrekord lag bei achtunddreißig Schuss in der Minute.
    »Die Ausrüstung ist schon in Ordnung«, sagte Billy zu Mildred. »Wegen den Offizieren mach ich mir Sorgen. Bisher hab ich noch keinen kennengelernt, auf den ich mich unter Tage bei einem Notfall verlassen würde.«
    »Die richtigen Kerle werden alle in Frankreich sein«, erklärte Mildred optimistisch. »Die Wichser lassen sie zu Hause, die Neuen ausbilden.«
    Billy lachte über ihre Wortwahl. Sie kannte überhaupt keine Hemmungen. »Ich hoffe, du hast recht.«
    Billys größte Angst war, dass er davonrannte, sobald die Deutschen auf ihn schossen. Diese Demütigung wäre für ihn schlimmer als eine Verwundung. Manchmal bereitete ihm dieser Gedanke so schreckliche Bauchschmerzen, dass er sich wünschte, der gefürchtete Augenblick käme endlich, damit er Bescheid wusste, so oder so.
    »Jedenfalls bin ich froh, dass du die verdammten Deutschen abknallst«, sagte Mildred. »Das sind allesamt Frauenschänder.«
    Tommy erwiderte: »An deiner Stelle würde ich nicht alles glauben, was in der Daily Mail steht. Die wollen dir auch weismachen, dass Gewerkschafter Vaterlandsverräter sind. Aber das ist nicht wahr. Die meisten Genossen aus meinem Ortsverein haben sich freiwillig gemeldet. Vielleicht sind die Deutschen gar nicht so schlimm, wie die Mail sie darstellen tut.«
    »Wahrscheinlich hast du recht.« Mildred wandte sich wieder Billy zu. »Hast du Der Tramp gesehen?«
    »Aye, ich liebe Charlie-Chaplin-Filme.«
    Ethel nahm ihren Sohn auf. »Sag Onkel Billy gute Nacht.« Der Kleine strampelte in ihren Armen; er wollte nicht ins Bett.
    Billy erinnerte sich an Lloyds Geburt, und wie er den Mund geöffnet und geschrien hatte. Jetzt wirkte er schon so groß und kräftig. »Gute Nacht, Lloyd«, sagte er.
    Ethel hatte ihn nach Lloyd George genannt. Billy wusste als Einziger, dass er auch einen Mittelnamen hatte: Fitzherbert. So stand es in seiner Geburtsurkunde, aber Ethel hatte es sonst niemandem erzählt.
    Zu gerne hätte Billy Earl Fitzherbert vor den Lauf seines Lee-Enfield-Gewehrs bekommen.
    Ethel meinte: »Er sieht aus wie Gramper, findest du nicht auch?«
    Billy entdeckte keine Ähnlichkeit. »Das sag ich dir, sobald er sich einen Schnurrbart wachsen lässt.«
    Mildred brachte ihre Töchter ebenfalls ins Bett. Dann gingen Ethel und Tommy Austern kaufen, die sie zum Abendessen zubereiten wollten, und ließen Billy mit Mildred allein.
    Kaum waren die anderen fort, sagte Billy: »Ich mag dich sehr, Mildred.«
    »Ich mag dich auch«, antwortete sie, und Billy schob seinen Stuhl neben sie und küsste sie.
    Sie erwiderte den Kuss mit Begeisterung.
    Billy küsste nicht zum ersten Mal. Er hatte mehrere Mädchen in der hintersten Reihe des Majestic geküsst, dem Kino auf der Cwm Street. Sie hatten immer gleich die Münder

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