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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Ihre Gegnerinnen sind der Ansicht, eine Soldatenfrau sollte keine Unterstützung erhalten, wenn sie ihrem Mann untreu ist.«
    »Überprüfen Sie denn auch die Männer?«, erwiderte Ethel empört. »Ich glaube, in Frankreich und Mesopotamien und überall sonst, wo unsere Männer kämpfen, gibt es Häuser von schlechtem Ruf. Notiert die Army die Namen aller verheirateten Männer, die solche Häuser besuchen, und entzieht ihnen dann ihren Sold? Ehebruch ist eine Sünde, aber noch lange kein Grund, die Sünderin in Armut zu stürzen und ihre Kinder hungern zu lassen.«
    Ethel hielt Lloyd, ihren kleinen Sohn, an der Hand. Er war nun sechzehn Monate alt, hatte schönes dunkles Haar und grüne Augen und war so hübsch wie seine Mutter. Maud streckte die Hände zu ihm aus, und er kam giggelnd auf sie zugewankt. Ein Anflug von Sehnsucht überkam sie. Beinahe wünschte sie sich, in der einen Nacht, die sie mit Walter verbracht hatte, schwanger geworden zu sein, egal, welche Scherereien es nach sich gezogen hätte. Seit dem Weihnachtsgruß hatte sie nichts mehr von Walter gehört. Sie wusste nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte. Vielleicht war sie längst Witwe. Immer wieder, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, stürmten schreckliche Gedanken auf sie ein, sodass sie Mühe hatte, nicht die Fassung zu verlieren.
    Ethel wandte sich vom Journalisten ab und stellte Maud einer jungen Frau vor, an deren Rockzipfel sich zwei Kinder festhielten. »Das ist Jayne McCulley, von der ich dir erzählt habe.« Jayne hatte ein hübsches Gesicht und entschlossen blickende Augen.
    Maud schüttelte ihr die Hand. »Ich hoffe, wir können heute Gerechtigkeit für Sie durchsetzen, Mrs. McCulley.«
    »Das ist sehr nett von Ihnen, Madam. Vielen, vielen Dank.« Das altgewohnte ehrerbietige Verhalten starb selbst innerhalb egalitärer politischer Bewegungen einen sehr langsamen Tod.
    »Sind wir dann so weit?«, fragte Ethel.
    Maud gab ihr ihren Sohn zurück, und geschlossen überquerte die kleine Gruppe die Straße und ging zum Eingang des Verwaltungsgebäudes.
    Im Empfangsbereich saß eine Frau mittleren Alters hinter einem Schreibtisch. Als sie die Menge erblickte, erschien ein panischer Ausdruck auf ihrem Gesicht.
    Maud trat auf sie zu. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Mrs. Williams und ich sind gekommen, um Mrs. Hargreaves zu sprechen, Ihre Chefin.«
    Die Empfangsdame stand auf. »Ich sehe nach, ob sie da ist«, sagte sie nervös.
    »Sie ist da«, erklärte Ethel. »Ich hab sie vor einer halben Stunde zur Tür reingehen sehen.«
    Die Empfangsdame huschte davon.
    Die Frau, mit der sie zurückkam, ließ sich nicht so leicht einschüchtern. Mrs. Hargreaves war eine stämmige Mittvierzigerin, gekleidet in ein französisches Kostüm, zu dem sie einen modischen, von einer großen, gebügelten Schleife gezierten Hut trug. Ihrer korpulenten Figur wegen blieb vom kontinentalen Chic des Ensembles zwar nicht viel übrig, fand Maud gehässig, aber Mrs. Hargreaves besaß jene Art Selbstbewusstsein, die sich auf viel Geld stützte. Besonders augenfällig war ihre große Nase. »Ja?«, fragte sie grob.
    Im Kampf um die Gleichheit der Frau musste man nicht nur gegen Männer, sondern manchmal auch gegen Frauen kämpfen, wie Maud wusste; deshalb sagte sie frei heraus: »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil es mich betrübt, wie Sie Mrs. McCulley behandelt haben.«
    Mrs. Hargreaves wirkte erschrocken. Ohne Zweifel lag es daran, dass sie Maud aufgrund ihrer Sprechweise augenblicklich als der Oberschicht zugehörig erkannte. »Ich fürchte«, sagte sie, und ihre Stimme klang nicht mehr so überheblich wie zuvor, »es ist ausgeschlossen, dass ich über Einzelfälle rede.«
    »Nun, Mrs. McCulley hat mich gebeten, mit Ihnen zu sprechen, und als Beweis ist sie gleich mitgekommen.«
    »Erinnern Sie sich denn nicht an mich, Mrs. Hargreaves?«, fragte Jayne McCulley.
    »Doch, ja. Sie waren sehr unhöflich zu mir.«
    Jayne wandte sich an Maud. »Ich habe ihr gesagt, sie soll ihre Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute stecken.«
    Die Frauen kicherten bei dem Hinweis auf Mrs. Hargreaves’ überdimensionales Riechorgan. Mrs. Hargreaves errötete.
    Maud sagte: »Aber Sie können doch keinen Antrag auf Trennungsgeld ablehnen, weil die Antragstellerin unhöflich zu Ihnen war.« Sie bezwang ihren Zorn und bemühte sich um einen Tonfall eisiger Missbilligung. »Das ist Ihnen doch klar, oder?«
    Mrs. Hargreaves reckte trotzig das Kinn vor. »Mrs. McCulley wurde im Dog and

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