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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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abstoßend. Sie wäre eine Frau, die für den Geschlechtsverkehr bezahlt wurde, nichts anderes als eine Prostituierte. Sie könnte ihre Eltern niemals nach Chelsea einladen; sie würden sofort erraten, dass ihre Tochter sich von einem reichen Mann aushalten ließ.
    Aber würde ihr das wirklich so viel ausmachen? Wahrscheinlich nicht – wenn da nicht noch andere Dinge gewesen wären: Wie sollte sie als Geliebte eines Millionärs weiterhin für die Rechte der Arbeiterinnen eintreten? Ihre politische Karriere wäre zu Ende, bevor sie begonnen hatte. Sie würde den Kontakt zu Bernie und Mildred verlieren; selbst eine Begegnung mit Maud wäre peinlich.
    Aber wer war sie, dass sie vom Leben so viel verlangte? Sie war Ethel Williams, geboren im Haus eines Bergmanns. Und nun wurde ihr ein sorgenfreies Leben angeboten. Wie konnte sie da die Nase rümpfen? Stattdessen sollte sie sich glücklich schätzen.
    Außerdem war da Lloyd. Er hätte eine Erzieherin, und später würde Fitz ihm den Besuch einer Privatschule ermöglichen. Er würde innerhalb der Elite aufwachsen und ein privilegiertes Leben führen. Hatte sie ein Recht, ihm das zu verweigern?
    Ethel war einer Antwort noch immer nicht näher gekommen, als sie in dem Büro, das sie mit Maud teilte, die Zeitungen aufschlug und von einem anderen aufregenden Angebot erfuhr: Am 12. Dezember hatte der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg Friedensgespräche mit der Entente vorgeschlagen.
    Ethel konnte es kaum glauben. Sollte ein Frieden wirklich möglich sein? Würde Billy endlich nach Hause kommen?
    Zwar hatte der französische Ministerpräsident die deutsche Note als geschickten Schachzug abgetan, und der russische Außenminister verurteilte gar Deutschlands »verlogene Vorschläge«, doch Ethel war überzeugt, dass die britische Reaktion den Ausschlag geben würde.
    Doch Lloyd George verweigerte mit dem Hinweis auf eine Halsentzündung jede öffentliche Ansprache. Im Dezember litt halb London unter Husten und Schnupfen; dennoch vermutete Ethel, dass der Premierminister nur Zeit zum Nachdenken wollte. Sie wertete dies als gutes Zeichen, denn als sofortige Reaktion wäre nur eine Ablehnung infrage gekommen. Alles andere gab Grund zur Hoffnung. Vielleicht dachte der Premierminister tatsächlich über einen Frieden nach.
    Währenddessen warf Präsident Wilson das ganze Gewicht Amerikas für den Frieden in die Waagschale. Er schlug vor, dass zur Vorbereitung von Friedensgesprächen sämtliche Krieg führenden Mächte ihre Kriegsziele bekannt geben sollten.
    »Das hat die Regierungen in Verlegenheit gebracht«, sagte Bernie Leckwith am gleichen Abend. »Sie wissen nicht mehr, weshalb sie den Krieg überhaupt angefangen haben. Sie kämpfen nur noch, weil sie siegen wollen.«
    Ethel erinnerte sich, was Mrs. Dai Ponies damals über den Bergarbeiterstreik gesagt hatte: »Wenn Männer erst zu kämpfen anfangen, haben sie nur noch das Siegen im Kopf.«
    Im Lauf der nächsten Tage musste Ethel erkennen, dass Bernie recht hatte. Präsident Wilsons Vorschlag traf auf taube Ohren. Das machte Ethel noch wütender. Wie konnten die europäischen Nationen diesen schrecklichen Krieg weiterführen, wenn sie nicht einmal wussten, wofür sie kämpften?
    Ende der Woche organisierte Bernie eine öffentliche Debatte über die deutsche Friedensnote. Als Ethel am Morgen des Tages aufwachte, an dem die Diskussion stattfinden sollte, stand ihr Bruder in seiner khakifarbenen Uniform an ihrem Bett. »Billy!«, rief sie. »Du bist am Leben!«
    »Und eine Woche auf Fronturlaub«, sagte er. »Steh schon auf, du faule Kuh.«
    Ethel sprang aus dem Bett, zog sich einen Morgenmantel über das Nachthemd und schloss ihren Bruder in die Arme. »Oh, Billy, ich bin so froh, dich zu sehen.« Sie bemerkte die drei Winkel an seinem Ärmel. »Du bist Sergeant!«
    »Aye.«
    »Wie bist du ins Haus gekommen?«
    »Mildred hat mir aufgemacht. Ich bin schon seit gestern Abend hier.«
    »Wo hast du geschlafen?«
    Scheu antwortete er: »Oben.«
    Ethel grinste. »Bei Mildred?«
    »Ich mag sie.«
    »Ich auch«, sagte Ethel. »Mildred ist in Ordnung. Willst du sie heiraten?«
    »Ja, wenn ich den Krieg überlebe.«
    »Der Altersunterschied macht dir nichts aus?«
    »Mildred ist dreiundzwanzig. Richtig alt wäre sie, wenn sie dreißig wäre oder so.«
    »Und die Mädchen?«
    Billy zuckte mit den Schultern. »Sie sind liebe Kinder, aber selbst wenn sie’s nicht wären, nähme ich’s für Mildred in Kauf.«
    »Du liebst

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