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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gleichen Zeit. Auf dem Podium schrieben mehrere Männer mit, die verdächtig nach Angehörigen der Mittelschicht aussahen. Grigori nahm an, dass es sich dabei um Mitglieder des Exekutivkomitees handelte, das gestern gebildet worden war. Immerhin führte jemand inmitten dieses Chaos Protokoll.
    Trotz des besorgniserregenden Durcheinanders herrschte unbändige Freude. Alle hatten das Gefühl, eine siegreiche Schlacht geschlagen zu haben. Was immer sonst geschehen würde, sie schufen eine neue Welt.
    Doch niemand sprach über Brot.
    Enttäuscht über das Gerangel und die Untätigkeit des Sowjets verließen Grigori und Konstantin schließlich den Katherinensaal und gingen durch den Palast, um herauszufinden, was die Duma plante. Unterwegs sahen sie Soldaten mit roten Armbinden, die Nahrung und Munition für eine Belagerung bunkerten.
    Natürlich, dachte Grigori, der Zar wird sich nicht einfach in sein Schicksal fügen. Irgendwann wird er versuchen, die Herrschaft mit Gewalt zurückzuerlangen, und wenn das geschieht, wird dieses Gebäude hier zweifellos als Erstes angegriffen.
    Im rechten Flügel stießen sie auf Graf Malakowski, einen der Direktoren der Putilow-Werke. Er war Abgeordneter einer rechten Partei; dennoch sprach er freundlich mit Grigori und Konstantin. Er erzählte ihnen, dass schon wieder ein Komitee gebildet worden war, das Provisorische Komitee der Dumaabgeordneten zur Wiederherstellung der Öffentlichen Ordnung. Trotz des lächerlichen Titels hatte Grigori das Gefühl, dass die Duma auf diese Art und Weise die Kontrolle übernehmen wollte. Seine Sorgen wuchsen, als Graf Malakowski ihm berichtete, das Komitee habe Oberst Engelhardt zum Stadtkommandanten von Petrograd ernannt.
    »Ja«, sagte Malakowski sichtlich zufrieden, »und sie haben sämtlichen Soldaten befohlen, in die Kasernen zurückzukehren und die Befehle ihrer Vorgesetzten zu befolgen.«
    »Was?« Grigori war schockiert. »Aber damit wäre die revolutionäre Bewegung zunichtegemacht! Die Offiziere des Zaren würden die Kontrolle wiedererlangen!«
    »Die Abgeordneten der Duma halten das, was geschehen ist, nicht für eine Revolution.«
    »Dann sind sie Idioten!«, stieß Grigori wütend hervor.
    Malakowski hob die Nase und ging davon.
    Konstantin teilte Grigoris Wut. »Das ist eine verdammte Konterrevolution!«, fluchte er.
    »Und die muss aufgehalten werden«, sagte Grigori.
    Sie eilten in den linken Flügel zurück. In dem großen Saal versuchte gerade jemand, die Debatte in geordnete Bahnen zu lenken. Grigori sprang auf das Podium. »Ich muss etwas Wichtiges melden!«, rief er.
    »Das muss jeder«, erwiderte der Mann müde, der sich als Sprecher versuchte. »Aber was soll’s, mach nur.«
    »Die Duma befiehlt die Soldaten in die Kasernen zurück … und verlangt von ihnen, die Autorität der Offiziere anzuerkennen!«
    Protestierendes Gebrüll unter den Deputierten.
    »Genossen!«, rief Grigori und versuchte, den Lärm zu übertönen. »Wir werden die alten Verhältnisse nicht wieder akzeptieren!«
    Donnernder Applaus.
    »Die Bevölkerung dieser Stadt braucht Brot. Unsere Frauen müssen sich auf den Straßen wieder sicher fühlen können. Die Fabriken müssen wieder geöffnet werden, und die Mühlen müssen arbeiten, aber nicht wie früher!«
    Jetzt hörten die Deputierten ihm aufmerksam zu; sie wussten nicht so recht, worauf Grigori hinauswollte.
    »Wir Soldaten müssen Vorbilder sein. Angehörige der Bourgeoisie zu verprügeln, Frauen auf der Straße zu belästigen und Geschäfte zu plündern ist keine Revolution! Wir müssen in unsere Kasernen zurückkehren, wieder nüchtern werden und weiter unsere Pflicht erfüllen, aber …« Er legte eine dramatische Pause ein. »Unter unseren Bedingungen!«
    Zustimmendes Raunen durchlief die Reihen der Deputierten.
    »Und was für Bedingungen sollen das sein?«, fragte jemand.
    Ein anderer rief: »Nur noch gewählte Komitees sollen Befehle ausgeben, keine Offiziere mehr!«
    »Schluss mit ›Euer Gnaden‹ und ›Euer Exzellenz‹«, sagte wieder ein anderer. »Ab sofort heißt es nur noch ›Hauptmann‹ oder ›General‹.«
    »Und kein Salutieren mehr!«, rief jemand.
    Grigori wusste nicht, was er tun sollte. Jeder hatte irgendeinen Vorschlag. Er konnte sie sich unmöglich alle anhören, und merken konnte er sie sich erst recht nicht.
    Der Sprecher kam ihm zu Hilfe. »Hiermit schlage ich vor, dass jeder, der Vorschläge hat, zu Genosse Sokolow geht, um sie von ihm aufschreiben zu lassen.« Grigori

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