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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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geprägt hatte. »Aber wir unternehmen nichts!«, rief er verärgert aus.
    Der Gong verkündete, dass es Zeit sei, sich zum Abendessen umzuziehen. Fitz verzichtete erst einmal darauf, das Thema zu forcieren. Er hatte noch das ganze Wochenende Gelegenheit, seine Argumente anzubringen.
    Auf dem Weg ins Ankleidezimmer fiel ihm ein, dass Boy nicht zur Teestunde in den Morgensalon gebracht worden war wie sonst üblich. Ehe er sich umzog, ging er über den langen Flur in den Flügel mit dem Kinderzimmer.
    Boy war inzwischen drei Jahre und drei Monate alt – ein kleiner Kerl, der gehen und reden konnte und Beas blaue Augen und blonde Locken besaß. Er hockte vor dem Feuer, in eine Decke gewickelt. Jones, das hübsche junge Kindermädchen, las ihm vor. Der rechtmäßige Herr über Tausende von Hektar russischen Ackerlands lutschte am Daumen, sprang aber nicht auf und kam zu Fitz gerannt, wie er es normalerweise getan hätte.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Fitz.
    »Er hat Bauchschmerzen, Mylord.«
    Jones erinnerte Fitz ein wenig an Ethel Williams, aber sie war nicht so intelligent. »Drücken Sie sich gefälligst ein bisschen genauer aus«, fuhr Fitz sie ungeduldig an. »Was stimmt nicht mit seinem Bauch?«
    »Er hat Durchfall.«
    »Wie kommt er denn an so etwas?«
    »Das weiß ich nicht, Mylord. Aber die Toilette im Zug war nicht so sauber …«
    Damit war es Fitz’ Fehler, weil er seine Familie zu seinem Hausfest mit nach Wales geschleppt hatte. Er unterdrückte einen Fluch. »Haben Sie einen Arzt verständigt?«
    »Dr. Mortimer ist unterwegs.«
    Fitz ermahnte sich, nicht zu ungeduldig zu sein. Kinder steckten sich ständig mit irgendwelchen Kleinigkeiten an. Wie oft hatte er als Kind Durchfall gehabt? Aber es gab Fälle, da starben Kinder an Magen-Darm-Katarrh.
    Fitz kniete sich vor das Sofa und beugte sich zu seinem Sohn vor. »Wie geht es meinem kleinen Soldaten?«
    Boys Stimme klang matt. »Ich hab Dünnflitsch.«
    Diesen vulgären Ausdruck musste er von den Dienstboten aufgeschnappt haben; Fitz glaubte sogar, einen Hauch von walisischem Singsang herauszuhören. Doch er beschloss, deswegen keine Szene zu machen. »Der Arzt ist bald hier«, sagte er. »Dann geht es dir wieder besser.«
    »Ich mag nicht baden.«
    »Vielleicht können wir dein Bad heute Abend ausfallen lassen.« Fitz stand auf. »Rufen Sie mich, wenn der Arzt eintrifft«, sagte er zu dem Kindermädchen. »Ich will den Mann selbst sprechen.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    Fitz verließ das Kinderzimmer und ging zum Umkleideraum. Sein Kammerdiener hatte ihm seine Abendgarderobe mit den Brillantknöpfen an der Hemdbrust und den passenden Manschettenknöpfen herausgelegt, dazu ein sauberes Taschentuch für die Jacketttasche, und in jedem Lackschuh steckte ein Seidenstrumpf.
    Doch ehe Fitz sich umzog, ging er in Beas Zimmer.
    Sie war im achten Monat schwanger. Fitz erinnerte sich noch an die Zeit, als Bea Boy erwartet hatte. Damals, im August 1914, war er nach Frankreich gegangen, als Bea im vierten oder fünften Monat gewesen war, und er war erst zurückgekommen, nachdem sie den Jungen zur Welt gebracht hatte. Doch nie hatte Fitz sie in dem schrecklich aufgetriebenen Zustand gesehen, in dem sie sich diesmal befand. Er war schockiert, wie dramatisch ein Körper sich verändern konnte.
    Bea saß an ihrer Frisierkommode, schaute aber nicht in den Spiegel. Sie hatte sich zurückgelehnt, die Beine breit, und ihre Hände ruhten auf ihrem gewölbten Bauch. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihr Teint war blass. »Ich finde einfach keine bequeme Stellung«, beklagte sie sich. »Stehen, sitzen, liegen – alles tut weh.«
    »Du solltest dir Boy mal anschauen. Er fühlt sich nicht gut.«
    »Das tue ich, sobald ich die Kraft habe!«, fuhr sie ihn an. »Ich hätte nicht aufs Land reisen dürfen. Es ist absurd, dass ich in diesem Zustand eine Wochenendgesellschaft gebe.«
    Fitz wusste, dass sie recht hatte. »Aber wir brauchen die Unterstützung dieser Männer, wenn wir etwas gegen die Bolschewisten unternehmen wollen.«
    »Hat Boy immer noch Bauchweh?«
    »Ja. Der Arzt kommt.«
    »Schicke ihn zu mir, wenn er hier ist, auch wenn ich von so einem Landarzt wohl nicht viel erwarten darf.«
    »Ich sage dem Personal Bescheid. Ich nehme an, du kommst nicht zum Essen herunter …?«
    »Wie sollte ich, wo ich mich so scheußlich fühle?«
    »Es war ja nur eine Frage. Maud kann am Kopf der Tafel sitzen.«
    Fitz kehrte in den Ankleideraum zurück. Einige Männer hatten auf Frack und

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