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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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weiße Fliege verzichtet und trugen zum Abendessen einen kurzen Smoking und eine schwarze Krawatte; als Begründung führten sie den Krieg an. Fitz selbst sah da keine Verbindung. Wie könnte ein Krieg einen Menschen dazu bringen, sich unpassend zu kleiden?
    Er zog sich an und ging nach unten.

    Nach dem Essen wurde im Salon Kaffee serviert, und Churchill sagte provokant: »Nun haben die Frauen doch noch das Stimmrecht erhalten, Lady Maud.«
    »Einige«, erwiderte sie. »Nicht alle.«
    Natürlich wusste Fitz von der Enttäuschung bei den Frauen, dass das Gesetz nur potenzielle Wählerinnen über dreißig erfasste, die obendrein Hausbesitzerinnen oder die Ehefrauen von Hausbesitzern waren. Doch ihn ärgerte vielmehr, dass das Gesetz überhaupt verabschiedet worden war.
    Churchill blickte Lord Curzon an, der ebenfalls Gast des Hauses war. Curzon war ein brillanter Kopf, dessen steife und überhebliche Art durch das Metallkorsett, das er wegen eines Rückenleidens tragen musste, noch betont wurde. Über ihn gab es den Spottvers: »Ich bin George Nathaniel Curzon, die großartigste Person.« Curzon war erklärter Gegner des Frauenwahlrechts.
    »Zum Teil verdanken Sie es Lord Curzon«, sagte Churchill zu Fitz, »der sich überraschenderweise der Stimme enthalten hat, als das Gesetz dem Oberhaus vorgelegt wurde.«
    »Die Gesetzesvorlage hatte das Unterhaus passiert«, sagte Curzon. »Ich war der Ansicht, wir könnten uns nicht gegen gewählte Abgeordnete stellen.«
    Doch Fitz ärgerte sich immer noch darüber. »Aber das Oberhaus ist dazu da, die Entscheidungen des Unterhauses zu prüfen. Das war doch geradezu ein Paradebeispiel, weshalb es so wichtig ist.«
    »Hätten wir gegen den Entwurf gestimmt«, erklärte Curzon steif, »hätte das Unterhaus Anstoß daran genommen und uns den Entwurf erneut vorgelegt.«
    Fitz zuckte mit den Schultern. »Solchen Streit hatten wir auch früher schon.«
    »Nur tagt im Moment das Bryce-Komitee.«
    »Oh.« Daran hatte Fitz nicht mehr gedacht. Das Bryce-Komitee erwog eine Reform des Oberhauses. »Hat es daran gelegen?«
    »Der Abschlussbericht wird in Kürze veröffentlicht. Vorher können wir uns keine Auseinandersetzung mit dem Unterhaus leisten.«
    Widerwillig musste Fitz dieses Argument gelten lassen. Wenn das House of Lords einen ernsthaften Versuch unternahm, sich dem Unterhaus zu widersetzen, empfahl Bryce am Ende noch, die Macht des Oberhauses zu beschneiden. »Wir könnten unseren ganzen Einfluss verlieren, für immer.«
    »Das ist genau die Überlegung, die mich zur Stimmenthaltung bewegt hat«, erklärte Curzon.
    Fitz unterdrückte einen Seufzer. Manchmal war die Politik ein deprimierendes Geschäft.
    Peel, der Butler, brachte Curzon eine Tasse Kaffee und sagte leise zu Fitz: »Dr. Mortimer ist im kleinen Arbeitszimmer, Mylord, und würde sich freuen, wenn Sie einen Moment Zeit für ihn hätten.«
    Fitz war dankbar für die Unterbrechung. »Ich komme sofort«, sagte er, entschuldigte sich und verließ den Raum.
    Das kleine Arbeitszimmer war mit Möbeln eingerichtet, die sonst nirgendwo ins Haus passten: einem unbequemen geschnitzten Sessel wie aus einem Schauerroman, dem Gemälde einer schottischen Landschaft, das niemand mochte, und dem Kopf eines Tigers, den Fitz’ Vater in Indien erlegt hatte.
    Mortimer war ein tüchtiger Arzt aus der Gegend, der sich jedoch ein wenig zu selbstbewusst gab, als glaubte er, sein Beruf mache ihn in irgendeiner Weise zum Gleichgestellten eines Earls. »Guten Abend, Mylord«, sagte er. »Ihr Sohn hat eine leichte Magenverstimmung, die ihm höchstwahrscheinlich nicht schaden wird.«
    »Höchstwahrscheinlich?«
    »Ich benutze das Wort mit Absicht.« Mortimer sprach mit einem walisischen Akzent. »Wir Wissenschaftler befassen uns stets mit Wahrscheinlichkeiten, nie mit Gewissheiten. Ihren Bergarbeitern sage ich immer gerne, dass sie jeden Morgen mit dem Wissen einfahren, dass es wahrscheinlich keine Explosion geben wird.«
    »Aha.« Das war Fitz kein großer Trost. »Haben Sie nach der Fürstin gesehen?«
    »Ja. Auch sie ist nicht ernstlich krank. Genauer gesagt, ist sie überhaupt nicht krank. Sie bringt ein Kind zu Welt.«
    Fitz sprang auf. »Wie bitte?«
    »Sie glaubt, sie wäre im achten Monat, aber sie hat sich verrechnet. Sie ist am Ende des neunten Monats und wird zu ihrer Freude nicht mehr lange schwanger sein.«
    »Wer ist jetzt bei ihr?«
    »Ihre Dienerinnen. Ich habe nach einer tüchtigen Hebamme geschickt. Wenn Sie wünschen, werde ich

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