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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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so zierliche Gestalt. Wo ließ sie das alles?
    Nach dem Essen wurde starker Kaffee in kleinen Tassen gereicht. Gus wollte sich noch nicht in sein Schlafabteil zurückziehen; er wollte sich lieber noch ein bisschen mit Rosa unterhalten. »Trotzdem wird Wilson in Paris eine starke Stellung haben«, sagte er.
    Rosa blickte ihn skeptisch an. »Wieso?«
    »Nun, zunächst mal haben wir für die Franzosen den Krieg gewonnen.«
    Sie nickte. »Wilson hat gesagt: ›Bei Château-Thierry haben wir die Welt gerettet.‹«
    »Chuck Dixon und ich waren bei der Schlacht dabei.«
    »Ist Chuck dort gefallen?«
    »Ja. Ein Artillerievolltreffer. Der erste Tote, den ich gesehen habe. Leider nicht der letzte.«
    »Das tut mir leid, besonders für seine Frau. Ich kenne Doris schon seit Jahren – wir hatten die gleiche Klavierlehrerin.«
    »Ich weiß nicht, ob wirklich wir die Welt gerettet haben«, sagte Gus. »Im Krieg sind viel mehr Franzosen, Briten und Russen gefallen als Amerikaner. Aber wir haben die Waage geneigt. Das muss etwas bedeuten.«
    Rosa schüttelte den Kopf, dass ihre dunklen Locken wogten. »Da bin ich anderer Meinung. Der Krieg ist vorbei, und die Europäer brauchen uns nicht mehr.«
    »Männer wie Lloyd George sind offenbar der Meinung, dass man die Militärmacht der USA nicht mehr übersehen darf.«
    »Dann liegt er falsch«, erwiderte Rosa. »Angenommen, die Franzosen und Briten weigern sich, Wilsons Kurs zu folgen. Würde er dann seine Ideen mithilfe der Army durchsetzen können? Nein. Selbst wenn er es wollte, ein republikanischer Kongress würde es ihm nicht erlauben.«
    »Wir haben wirtschaftliche und finanzielle Macht.«
    »Es stimmt schon, dass die Entente Riesenschulden bei uns hat, aber ich weiß nicht, wie viel Einfluss wir dadurch gewinnen. Wie sagt man so schön: Hast du hundert Dollar Schulden, hat die Bank dich in der Hand, aber wenn du hundert Millionen Dollar Schulden hast, ist es umgekehrt.«
    Gus ahnte, dass Wilsons Vorhaben schwieriger sein konnte, als er es sich vorgestellt hatte. »Und was ist mit der öffentlichen Meinung? Du hast gesehen, welchen Empfang man Wilson in Brest bereitet hat. Ganz Europa blickt auf ihn und hofft, dass er eine friedliche Welt schafft.«
    »Das ist seine Trumpfkarte. Die Leute sind das Gemetzel leid. Nie wieder Krieg, skandieren sie. Ich hoffe nur, dass Wilson ihnen geben kann, was sie verlangen.«
    Sie wünschten einander eine gute Nacht und gingen in ihre Abteile. Gus lag noch lange wach und dachte über Rosa nach und darüber, was sie gesagt hatte. Nie hatte er eine klügere Frau kennengelernt. Und sie war wunderschön, trotz ihres geschlossenen Auges, auf das Gus gar nicht mehr geachtet hatte.
    Rosa war pessimistisch, was die Konferenz betraf. Nun – alles, was sie gesagt hatte, stimmte. Wilson stand ein harter Kampf bevor, das war Gus nun klar. Er war froh, Teil des Stabes zu sein, und entschlossen, alles zu tun, was in seiner Macht stand, damit die Ideale des Präsidenten Wirklichkeit wurden.
    In den frühen Morgenstunden blickte Gus aus dem Abteilfenster. Der Zug stampfte ostwärts durch Frankreich. Als sie durch eine Stadt fuhren, entdeckte er zu seinem Erstaunen eine Menschenmenge, die auf den Bahnsteigen und an der Straße neben den Gleisen stand und den Zug beobachtete. Es war dunkel, aber im Laternenlicht waren die Menschen deutlich zu erkennen. Zu Tausenden standen sie da, Männer, Frauen und Kinder. Gejubelt wurde nicht; alle waren ganz still. Aber die Männer zogen die Hüte, die Jungen die Mützen. Diese Geste des Respekts rührte Gus beinahe zu Tränen. Diese Menschen hatten die halbe Nacht gewartet, um jenen Zug zu sehen, mit dem die Hoffnung für die Welt reiste.

Kapitel 35
    Dezember 1918 bis Februar 1919
    Drei Tage nach Weihnachten wurden die Stimmen ausgezählt. Ethel und Bernie Leckwith standen im Rathaus von Aldgate, als das Ergebnis verkündet wurde – Bernie in seinem besten Anzug auf dem Podium, Ethel im Publikum.
    Bernie hatte verloren.
    Er ließ sich nichts anmerken, aber Ethel weinte. Für Bernie war es das Ende eines Traumes. Vielleicht war der Traum töricht gewesen; dennoch schmerzte ihn die Niederlage, und Bernie so zu sehen tat ihr in der Seele weh.
    Der Sieger war ein Liberaler, der die Koalition Lloyd Georges unterstützte. Konsequenterweise hatte es keinen konservativen Kandidaten gegeben, und die Konservativen hatten liberal gewählt. Diese Konstellation war der Labour-Partei zum Verhängnis geworden.
    Bernie gratulierte seinem

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