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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Wiedersehen.«

    Grigori Peschkow beobachtete seinen jüngeren Bruder Lew dabei, wie er den großen Amerikaner ausnahm. Lews hübsches Gesicht zeigte einen Ausdruck jungenhaften Eifers, als wäre es sein höchstes Ziel, sein Können zur Schau zu stellen. Grigori machte sich Sorgen. Eines Tages, fürchtete er, würde Lews Charme nicht mehr reichen, ihn vor Ärger zu bewahren.
    »Das ist ein Gedächtnistest«, sagte Lew auf Englisch. Er hatte die Worte auswendig gelernt. »Nehmen Sie eine Karte, egal welche.« Er musste die Stimme heben, um den Fabriklärm zu übertönen: Schwere Maschinen rumpelten, Dampf zischte, und Männer brüllten einander zu.
    Der Name des Besuchers war Gus Dewar, ein liebenswerter junger Kerl, adrett gekleidet in Jackett, Weste und Hose, alles aus dem gleichen, teuren grauen Stoff. Grigori interessierte sich besonders für Dewar, weil er aus Buffalo kam.
    Mit einem Schulterzucken nahm Dewar eine Karte von Lews Stapel und schaute sie sich an.
    Lew sagte: »Legen Sie die Karte auf die Werkbank, mit dem Bild nach unten.«
    Dewar tat wie geheißen.
    Lew zog einen Rubelschein aus seiner Tasche und legte ihn auf die Karte. »Jetzt legen Sie einen Dollar hin.« So etwas konnte Lew nur mit reichen Besuchern machen.
    Grigori wusste, dass Lew die Spielkarte bereits vertauscht hatte: Unter dem Rubelschein in seiner Hand war eine andere Karte versteckt gewesen. Der Trick, den Lew immer wieder geübt hatte, bestand darin, die erste Karte aufzunehmen und genau in dem Augenblick in der Hand verschwinden zu lassen, wenn man die neue Karte mit dem Rubelschein auf den Tisch legte.
    »Sind Sie sicher, dass Sie es sich leisten können, einen Dollar zu verlieren, Mr. Dewar?«, fragte Lew.
    Dewar lächelte, wie alle Opfer bei dieser Frage. »Ich glaube schon.«
    »Erinnern Sie sich an Ihre Karte?« Lew sprach gebrochen Englisch. Die gleichen Phrasen beherrschte er auch in holprigem Deutsch, Französisch und Italienisch.
    »Pik Fünf«, sagte Dewar.
    »Falsch.«
    »Ich bin mir ziemlich sicher.«
    »Drehen Sie die Karte um.«
    Dewar tat wie geheißen. Es war die Kreuzdame.
    Lew nahm sich den Dollarschein und seinen Rubel.
    Grigori hielt die Luft an. Das war jetzt der gefährliche Augenblick. Würde der Amerikaner Lew beschuldigen, ihn ausgeraubt zu haben?
    Dewar grinste reumütig und sagte: »Sie haben mich drangekriegt.«
    »Ich kenne noch ein Spiel«, sagte Lew.
    Das reicht jetzt, beschied Grigori. Lew forderte sein Glück heraus. Obwohl er schon zwanzig Jahre alt war, musste Grigori noch immer auf ihn aufpassen. »Spielen Sie nicht gegen meinen Bruder«, sagte er auf Russisch zu Dewar. »Er gewinnt immer.«
    Dewar lächelte und erwiderte zögernd, ebenfalls auf Russisch: »Das ist ein guter Rat.«
    Dewar gehörte zu einer kleinen Besuchergruppe, die eine Führung durch die Putilow-Maschinenfabrik machte. Die Putilow-Werke waren die größte Fabrik in Sankt Petersburg. Dreißigtausend Männer, Frauen und Kinder waren hier beschäftigt. Grigori hatte die Aufgabe, den Besuchern eine kleine, aber wichtige Abteilung zu zeigen. In der Fabrik wurden Lokomotiven und andere große Maschinen aus Stahl gebaut. Grigori war Vorarbeiter in der Radfertigung.
    Gern hätte er mit Dewar über Buffalo gesprochen, doch bevor er dem Amerikaner auch nur eine Frage stellen konnte, erschien Kanin, der Fertigungsleiter der Stahlgießerei. Kanin war ein hervorragender Ingenieur, groß und dünn, mit zurückweichendem Haar. Er wurde von einem zweiten Besucher begleitet. Grigori erkannte an der Kleidung des Mannes, dass es sich dabei um den englischen Lord handeln musste. Wie ein russischer Edelmann trug er Frack und Zylinder. Vielleicht wurde diese Kleidung ja überall auf der Welt von der herrschenden Klasse getragen.
    Der Name des Lords, so hatte man Grigori gesagt, sei Earl Fitzherbert. Mit seinem schwarzen Haar und den leuchtend grünen Augen war er der bestaussehende Bursche, der Grigori je untergekommen war. Die Frauen in der Abteilung himmelten ihn an.
    Kanin sprach Russisch mit Fitzherbert. »Inzwischen produzieren wir hier jede Woche zwei Lokomotiven«, erklärte er stolz.
    »Erstaunlich«, sagte der englische Lord.
    Grigori wusste, warum die Ausländer sich so sehr für die Fabrik interessierten, denn er hatte die Zeitungen gelesen und ging zu Vorträgen und Diskussionsrunden, die von den Petersburger Bolschewiken organisiert wurden. Den Ausländern ging es um die Eisenbahnen, die von grundlegender Bedeutung für die Verteidigung

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