Sturz in den Tod (German Edition)
Dass da
eine Frau gestorben ist, darüber redet gar keiner mehr. Und keiner redet mehr
darüber, wie sie gestorben ist. Neulich war es noch Mord, heute ist es
Selbstmord. Alles völlig egal! Hauptsache, die Kohle stimmt. Und wenn sie nicht
stimmt, dann ist das Drama groß. Dann regen sich alle auf.« Nina sah zum
Maritim hoch. »Sie ist nicht da runtergesprungen!«
Jan legte sanft seine Hand auf Ninas Oberarm, sie ließ es geschehen.
»Nina, man steckt in den Leuten nicht drin. Wir alle wissen nicht,
was wirklich in ihnen vorgeht. Du hättest doch auch nicht gedacht, dass bei den
Bergmanns die Nerven so blank liegen, wenn sie weniger erben als erwartet? Wer
weiß, was tatsächlich mit Frau Bergmann los war.«
Jan ging die Stufen zur Residenz hinauf. Nina folgte ihm.
»Was ist mit dem Liebhaber, den es gegeben haben soll? Mit der
Tochter, die plötzlich aufgekreuzt ist? Und mit den Briefen? Weshalb hat Frau
Bergmann sie in einem Buch versteckt? Vor wem auch immer. Vielleicht vor sich
selbst.«
Im Eingangsbereich saß Frau Schneider und sah Jan und Nina entgegen.
Nina musste die Glastür zu den Fahrstühlen selbst mit der Karte öffnen.
»Versprich mir, dass du die Bergmanns in dieser Situation nicht auf
irgendeine imaginäre Tochter ansprichst!«, sagte Jan, als sich die Türen hinter
ihnen geschlossen hatten.
Nina sah ihm in der Spiegelwand in die Augen. »Versprich du mir,
dass du in dieser Situation kein Verkaufsgespräch führen wirst.«
***
Als Pasquale das Smokys betrat, kam es ihm so vor, als
wäre er mit Elisabeth Bergmann verabredet. Doch es war glücklicherweise Romy,
die sich wie zufällig neben ihn an den Tresen setzen würde.
Es war gegen Mitternacht. Vorher brauchte man in der wohl
angesagtesten Bar in Travemünde nicht einzukehren. Der DJ legte House Music auf. Die ersten Leute tanzten. Eine Frau um die vierzig war
bereits so betrunken, dass sie ihren Hintern am Körper ihres schmächtigen
jungen Tanzpartners rieb. Es waren ungewöhnlich viele Gäste im Smokys und
ungewöhnlich viel Personal. Alle trugen die gleichen schwarzen T-Shirts, auf
die das Logo einer Tequila-Firma gedruckt war. Eine Kellnerin trug ein Tablett
mit Tequilagläsern, Salzstreuern und Zitronenvierteln an einen Tisch. Pasquale
begriff, dass heute Tequila-Party im Smokys war.
»Silber oder Gold?«, fragte ihn eine junge Kellnerin.
Pasquale bestellte »Gold« und hoffte, dass sie schnell sein würde.
Er ließ Salz und Orangenscheibe weg und kippte den Schnaps auf ex hinunter. Er
bestellte noch einen und ein Bier dazu. Seit das an jenem Morgen passiert war,
hatte er das Gefühl, nüchtern zu sein, egal, was und wie viel er trank. Er
musste Romy endlich beichten, was er getan hatte, bevor sie es von anderen
erfuhr, und fürchtete sich davor. Denn was er getan hatte, gehörte nicht zu
ihrem Plan. Es war gegen die Abmachung. Pasquale streckte die Hand aus und
spreizte die Finger. Zu seiner Überraschung war er sehr ruhig. Es war, als
hätte er alles abgespalten von sich. Das unbestimmte Gefühl, dass alles ein
gutes Ende nehmen werde, kam in ihm auf. Sie würden verschwinden, Romy und er,
bevor überhaupt jemand darauf käme, dass sie mit der Sache etwas zu tun hatten.
Jetzt konnte das neue Leben wirklich beginnen. Pasquale kippte den zweiten
Schnaps hinunter.
Immer mehr Leute fielen ins Smokys ein. Pasquale zog den freien
Barhocker neben sich dichter heran. Eine Fußballmannschaft saß im hinteren
Bereich und trank Red Bull mit Wodka, mehrere eigens dafür geschaffene Behälter
für Flaschen und Dosen standen auf ihren Tischen. Zwei Go-go-Girls machten sich
für ihren Auftritt bereit. Stämmige Sicherheitskräfte in schwarzen Uniformen
trafen ein, die ab jetzt Vorder- und Hintereingang bewachten. Pasquale
bestellte noch einen Tequila. Immer wieder sah er zur Tür, während er die linke
Hand auf dem freien Platz neben sich liegen ließ.
Endlich betrat Romy das Smokys und sah sich beiläufig nach ihm um.
Mit Genugtuung beobachtete Pasquale, dass viele Männer die Blicke auf sie
richteten. Vielleicht, weil man sie hier noch nie gesehen hatte, ganz sicher,
weil sie so attraktiv war. Wieder fragte Pasquale sich, wie alt Romy sein
mochte, sie hatte es ihm nicht gesagt, und er hatte nicht gewagt, sie zu fragen.
Romy fragte ihn förmlich, ob der Platz neben ihm noch frei wäre. Das
Spiel beginnt, dachte Pasquale und fragte sie, ob er sie zu einem Drink
einladen dürfe. Romy musste lachen. Sie hatte sich gesträubt, sich mit ihm
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