Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
doch keine Spionin, oder?«
Sie lachte. »Nein, aber ich wollte schon immer eine sein. Schon als kleines Mädchen.«
Es war unglaublich hart, jetzt daran zu denken, wie locker wir im Jahr 2009 miteinander umgegangen waren und wie viel Spaß wir miteinander gehabt hatten. Jetzt, wo ich im Jahr 2007 festhing, bestand mein Hauptziel darin, dafür zu sorgen, dass sich der 30. Oktober 2009 nicht wiederholte. Und wenn er es doch tat, dann war es meine Schuld, denn ich wusste ja, was kam.
Ich war noch damit beschäftigt, mir die Details dieses Abends aus dem Jahr 2009 zu vergegenwärtigen, an dem mein Vater sich ein wenig zu sehr wie ein Geheimagent aufgeführt hatte, als ich mich in meiner neuen Gegenwart, im Jahr 2007, schlafen legte. Dabei fiel mir auf, dass er damals fast drei Wochen weg gewesen war, aber dennoch zu wissen schien, dass Holly mehrfach in der Wohnung gewesen war. Er wusste weitaus mehr, als ein normaler Vater wissen konnte.
Alles lief auf die Frage hinaus, die zu stellen ich viel zu viel Angst hatte … War es möglich, dass die Männer, die auf Holly geschossen hatten, für meinen Vater arbeiteten oder zumindest auf seiner Seite standen? Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das nicht ausschließen. Ich konnte gar nichts ausschließen.
15
Freitag, 14 . September 2007
Okay, jetzt habe ich also ernsthaft einen Job. In Jersey. Als Hausmeister. Wenn mein Vater das wüsste, würde er mir einen Vogel zeigen. Oder mich anschreien wie blöd, weil ich eine teure Privatschule schmeiße, um stattdessen Glühbirnen auszuwechseln. Jetzt mache ich den neuen Job schon eine Woche, und bislang habe ich mich nicht aus Versehen umgebracht. Meine Kollegen waren allerdings so nett, dem Chef einige meiner größten Desaster zu verheimlichen, die mir spätabends unterlaufen waren, nachdem Mike schon weg war. Jana, Toby oder Holly haben es nie laut gesagt, aber ich glaube, sie haben sich inoffiziell abgesprochen, Stillschweigen zu bewahren. Sie bleiben immer lange und spielen mit den Geräten rum, und das obwohl Mike ständig was von Unfallverhütung und Haftung faselt.
»In der Toilette ist was Unschönes passiert. Kannst du mal danach gucken?«, fragte Mike mich, als er auf dem Weg zu der Gruppe, die er trainierte, an mir vorbeihastete.
Ich stöhnte leise auf und griff nach meinen Gummihandschuhen. Wahrscheinlich unterschied sich diese Sache nicht allzu sehr vom Putzen der Toilette in einem Mehrbettzimmer im Studentenwohnheim. Dort hatte ich während meines einen College-Jahres, in dem ich mir ein Bad mit zwei anderen Jungs geteilt hatte, jede zweite Woche das Klo putzen müssen.
Als ich in die Herrentoilette kam und einen raschen Blick auf die verstopfte, überquellende Toilette geworfen hatte, machte ich gleich wieder kehrt und ging zu Mike.
»Sieht so aus, als müsstest du einen Klempner rufen.«
Er lachte. »Ich dachte, das wärst du.«
»Äh, ja … sicher. War nur ein Scherz …« Mit anderen Worten, ich war geliefert.
Holly beobachtete mich über ihre Schulter hinweg. Sie saß mit einigen Blättern und einem Tacker vor sich auf dem Boden.
»Brauchst du Hilfe?«
»Nein, danke, ist okay. Ich komme schon klar.«
Sie stand trotzdem auf und kam hinter mir her. »Macht mir aber nichts aus.«
»In Ordnung, aber dann brauchst du den hier.« Ich reichte ihr einen Mundschutz vom Putzwagen, bevor ich die Tür aufstieß.
»Ist das eklig«, murmelte sie.
»Männer sind Schweine, Holly.«
»Da kann ich nicht mitreden. Ich hab noch nie mit einem zusammengewohnt.«
»Glück gehabt.«
Sie deutete auf den Pümpel neben der Toilette. »Vielleicht probierst du’s mal damit?«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Hast du das schon mal gemacht?«
»Schon oft. Und du?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Klar, quasi täglich.«
Bei meinem Versuch, die Toilette zu pümpeln, lachte sie laut auf. Nicht gerade das, was ich mir für unsere bislang längste Unterhaltung gewünscht hätte, aber besser als nichts.
Holly langte über mich drüber, nahm den Deckel des Spülkastens ab und lehnte ihn an die Wand. Dann steckte sie ihre Hand hinein – nicht gerade zimperlich, die Frau. »Siehst du das kleine Ding hier? Ich weiß nicht, wie man es nennt, aber es muss oben schwimmen, und das ist auch der Grund, warum die Spülung nicht funktioniert.«
Als sie ihre Hand wieder herauszog, lief der Spülkasten sofort voll Wasser.
»Oh, prima!«, sagte ich.
Sie zog ihren Mundschutz ab und lächelte. »Glaubst du, es ist ungefährlich,
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