Sturz ins Glück
sogar zu diesem Arzt. Dann statten wir Mr Gideon Westcott endlich den lange überfälligen Besuch ab.“
„Wir?“, quiekte Farnsworth erschrocken. „Aber w-w-was ist mit den Wachen?“
Reginald lächelte. „Wir werden natürlich unbewaffnet kommen. Zwei Gentlemen, die über die Vormundschaft eines Kindes sprechen.“
„Westcott wird das Kind niemals herausgeben.“
„Stimmt.“ Reginald schnippte ein Staubkorn von seinem Ärmel. „Trotzdem hoffe ich, dass er meine momentane Situation verstehen wird und seine Prinzipien über Bord wirft. Das wird er natürlich nicht tun. Dann bedrohe ich ihn, dass ich nach England zurückkehren und ihn mit allen finanziellen Mitteln bekämpfen werde, die mir noch geblieben sind. Auch das wird ihn nicht umstimmen. Dann werde ich wutentbrannt abreisen, in der Stadt herumerzählen, dass wir unsere Ziele nicht erreicht haben, und dann werden wir deprimiert abreisen. Nach England. Und nie wieder zurückkommen.“
„Nur, dass wir gar nicht nach England abreisen, richtig?“, fragte Farnsworth langsam.
Reginald grinste nur. Gideon Westcott würde in Isabellas Leben bald nichts mehr zu sagen haben.
Kapitel 35
Die Morgensonne warf ihre Strahlen durch die schweren Vorhänge in Gideons Zimmer und kitzelte ihn, sodass er die Augen öffnete. Der Nebel, der seinen Kopf in den letzten Tagen beim Aufwachen erfüllt hatte, war verschwunden. Er erinnerte sich an Dr. Bellows’ letzten Besuch. Vor zwei, vielleicht drei Tagen. Der Arzt hatte gesagt, dass die Wunde genug verheilt war, um die Morphiuminjektionen abzusetzen. Und gestern Abend hatte Gideon auch darauf verzichtet, Laudanum zu nehmen. Mit klarem Kopf aufzuwachen war ein Privileg, das er nie zu schätzen gewusst hatte, bevor er die letzten zehn Tage morgens kaum einen Gedanken hatte fassen können.
Vorsichtig streckte Gideon sich und zuckte bei dem Schmerz in seinem Bauch zusammen. Es schmerzte immer noch sehr, aber nur noch, wenn er sich bewegte. Natürlich hatte das auch etwas mit seinen unerlaubten Ausflügen im Zimmer zu tun, die er seit vier Tagen jeden Nachmittag unternahm. Am ersten Tag hatte er sich kaum auf den Beinen halten können, doch mithilfe der Möbel konnte er sein Zimmer mittlerweile durchqueren. Einen Fußmarsch konnte er noch lange nicht bewältigen, aber wenn er sich stöhnend und schnaufend durchs Zimmer bewegte, merkte er wenigstens, dass er irgendwann wieder seine ganze Kraft haben würde. Etwas, wofür er Gott jeden Tag dankte.
Nach dem langen Liegen, wollte sich Gideon nach links drehen. Wieder durchzuckten ihn Schmerzen. Unwillkürlich zog er die Knie hoch, als er auf der Seite zum Liegen kam. Direkt vor Adelaide.
Seine Augen wurden groß und sein Atem stockte.
Addie.
In seinem Bett.
Sie verzog im Schlaf das Gesicht und schmiegte sich an ihn. Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem bezaubernden Lächeln, als sie leise seufzte. Sein Puls beschleunigte sich augenblicklich. Immer noch konnte er nicht atmen. Fieberhaft überlegte er, was er tun sollte. Schließlich legte er seine Hand an ihre Hüfte.
Sein Blick wanderte an ihr entlang und nahm jedes Detail dieser wunderschönen Frau in sich auf – der Frau, die er liebte. Ihre langen Wimpern lagen auf den gebräunten Wangen und bildeten einen süßen Kontrast zu den Sommersprossen, die sich auf ihrer Nase breitgemacht hatten. Die Haare lagen in offenen Wogen auf dem Kissen. Ihr Hals schwang sich elegant zu ihrem Schlüsselbein hinab, das dann verschwand … in seinem Hemd?
Sein Mund verzog sich zu einem glücklichen Lächeln. Sie trug sein Hemd! Aus irgendeinem Grund machte ihn das noch zufriedener, als sie in seinem Bett zu finden. Sie hätte sich nur deshalb zu ihm legen können, weil sie ihm seine Schmerzen erleichtern wollte. Aber sein Hemd zu tragen? Das war etwas Intimes. Besitzergreifendes. Sie war nicht aus Pflichtgefühl in seinem Bett. Sie war hier, weil sie sich um ihn sorgte. Ihn liebte.
Sein Hemd war bis zu ihrer Hüfte hochgerutscht. Seine Augen wanderten über ihre Beine, deren Zartheit er auch erkennen konnte, obwohl sie eine lange Unterhose trug.
Gideon liebte Addies mitfühlendes Herz und ihren mutigen Verstand, doch er musste zugeben, dass ihm ihr Körper auch gefiel. Sehr sogar. Plötzlich wünschte er sich nichts mehr, als seine ganze Kraft zurückzugewinnen.
Verschwommene Erinnerungen stiegen in ihm auf, dass sie schon häufiger in seinem Bett geschlafen hatte. Er erinnerte sich an ihre Kleider in einer Ecke seines
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