Sturz ins Glück
jemals mit Lord Mansfield ansprechen zu müssen. Das klang schrecklich steif und formell.
Obwohl sie zugeben musste, dass der momentane Lord Mansfield alles andere als formell war. In den letzten beiden Wochen hatte Gideons Vater sich benommen wie in einem Wild-West-Roman. Er schien anfangs sehr enttäuscht gewesen zu sein, dass man in Westcott Cottage so zivilisiert wohnen konnte. Adelaide lächelte, während sie ihren Blick über den Hof schweifen ließ. Sie selbst hatte in letzter Zeit so viele Abenteuer durchgestanden, dass es ihr für ihr ganzes Leben reichte.
So vieles war in den Tagen seit dem Kampf in der Hütte geschehen. Gideon hatte vor Gericht über das ausgesagt, was ihnen zugestoßen war und dass Mr Farnsworth ihnen im allerletzten Moment das Leben gerettet hatte. Der Richter hatte den Mann deshalb freigesprochen und ihn zurück nach England geschickt. James war auf Westcott Cottage geblieben, bis sein Bein geheilt war. Als er in die Stadt zurückgekehrt war, hatte er die Adoptionspapiere für Isabella mitgenommen, damit sie so schnell wie möglich ein offizielles Mitglied der Familie Westcott wurde.
Gideons Eltern waren vor zwei Wochen angekommen, gerade pünktlich, um mit ihnen und ganz Menardville die Hochzeit nachzufeiern. Mrs Kent hatte sich mit der Dekoration selbst übertroffen und wäre fast in Ohnmacht gefallen, als ein echter Lord und eine echte Lady aus England auf ihrer Türschwelle erschienen waren. Doch der Höhepunkt des Tages war gewesen, als Gideon ihr vor allen seine ewige Liebe und Treue geschworen und ihr einen wunderschönen Ring an den Finger gesteckt hatte.
Adelaide hielt den Topas ins Licht. Die Nachmittagssonne glänzte auf der goldenen Einfassung und spiegelte den Jubel wider, der ihr Herz beherrschte. Sie war so gesegnet. Sie hatte einen Ehemann, der sie aus ganzem Herzen liebte, und eine Familie, die sie freudig willkommen geheißen hatte, obwohl sie nur die Tochter eines amerikanischen Farmers war. Doch Gideons Liebe zu ihr schien auf alle übergesprungen zu sein.
Schließlich riss sie den Blick von ihrem Ring los und wandte sich wieder ihrer zerlesenen Jane-Eyre-Ausgabe zu. Jane hatte Thornfield verlassen und wanderte einsam durch Nordengland. Adelaide seufzte. Jane sehnte sich so sehr nach Edward, wie sie sich selbst nach Gideon verzehrte.
Ihr Ehemann war vor fünf Tagen zusammen mit seinem Vater nach San Antonio aufgebrochen, um sich dort um die Geschäfte zu kümmern. Er musste nach dem Lagerhaus schauen und neue Verträge mit den Händlern aushandeln. Das war Teil des Lebens, wenn man mit einem Schafzüchter verheiratet war, vermutete Adelaide, aber ihr Bett fühlte sich nachts schrecklich leer an. Sie konnte gar nicht glauben, wie schnell sie sich daran gewöhnt hatte, nicht mehr allein zu schlafen, sondern die Wärme eines anderen zu genießen.
Adelaide hatte die Aufgabe, sich derweil um ihre Schwiegermutter zu kümmern. Lady Mansfield war die Güte in Person, doch mit ihren eleganten Kleidern wollte sie nicht so ganz in die ländliche Idylle passen. Sie interessierte sich mehr für das neueste Parfum aus Paris als für den Duft von Heu im Pferdestall.
Doch glücklicherweise gab es noch Izzy. Sie kannte sich in beiden Welten aus und wechselte ohne Probleme zwischen ihrer Großmutter und ihrer Mutter. Und sie sorgte immer wieder dafür, dass die beiden Frauen ein Gesprächsthema hatten und sich niemals ein peinliches Schweigen ausdehnte.
Alles war gut geworden, davon war Adelaide überzeugt. Und es würde mit Sicherheit noch besser werden. Gideon würde wieder nach Hause kommen.
Gerade als Adelaide sich wieder ihrer Lektüre widmen wollte, rief ihre Tochter nach ihr.
„Mama?“ Isabella kletterte auf ihren Schoß. „Ist das Papa, der da kommt?“
„Ich glaube nicht, mein Schatz. Vielleicht ist es Miguel oder einer der anderen Männer. Dein Papa kommt frühestens morgen wieder.“
„Aber das weiße Pferd neben ihm sieht genauso aus wie das, was Großvater reitet.“
Adelaide legte ihr Buch beiseite, hob Isabella von ihrem Schoß und stand auf. Sie lehnte sich über das Geländer der Veranda, um die Männer sehen zu können. Die Kleine hatte recht gehabt. Die Reiter sahen aus wie Gideon und sein Vater.
Ihr Herz fing an zu galoppieren. Am liebsten wäre sie ihrem Ehemann entgegengerannt, doch eine englische Lady tat das mit Sicherheit nicht, also hielt auch sie sich zurück. Doch wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte Gideon schließlich keine
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