Sturz ins Glück
nicht.“ Ihr Mund verzog sich zu einem echten Lächeln. „Nachdem ich ihn mit der Mistgabel bearbeitet habe und er Ihre Fäuste zu spüren bekommen hat, ist sein Stolz wahrscheinlich noch angekratzter als vorher.“
„Sie haben ihn mit einer Mistgabel bearbeitet?“
„Natürlich. Mein Vater hat schließlich keine Gewächshauspflanze großgezogen.“
Gideon überlegte, dass er ihren Vater sehr zu schätzen gewusst hätte.
„Ich habe es geschafft, Saba aus der Box zu lassen“, erklärte sie weiter. „Sie hat José so lange abgelenkt, dass ich mir die Mistgabel schnappen konnte. Ich habe ihm den Stiel vor den Kopf gehauen und bin zum Tor gerannt. Ich hätte es auch fast geschafft, doch im letzten Moment holte er mich ein.“
Wieder zuckte sie zusammen und wandte den Blick von ihm ab. Gideon hätte sie am liebsten noch einmal umarmt, aber er war sich unsicher, ob ihr das gefallen würde. Sollte er sie in Ruhe lassen oder würde sie dann glauben, dass er ihr gegenüber anders empfand als vor den schrecklichen Dingen, die sie ihm erzählt hatte? Seine eigene Unentschlossenheit machte ihn unruhig. Langsam rückte er näher an sie heran und legte ganz vorsichtig seine Hand auf die ihre. Sie umschloss dankbar seine Finger und seine Zweifel verschwanden.
Als Adelaide endlich weitersprach, zitterte ihre Stimme wieder. „Ich habe jedes Mal geschrien, wenn ich genug Atem dazu hatte und er mir nicht den Mund zugehalten hat. Und ich habe darum gebetet, dass jemand kommt und mich rettet. Ich habe gebetet, dass Sie kommen, Gideon.“ Sie sah ihm nun direkt in die Augen. „Und Sie sind gekommen.“
Es war völlig unsinnig, aber in diesem Moment, da Adelaide ihn so ansah, hätte er ihr am liebsten versprochen, dass er immer für sie da sein würde. Doch ein solches Versprechen konnte er nicht geben. Sie war seine Angestellte, kein Familienmitglied. Selbst wenn sie bei Bella blieb, bis sie erwachsen war, würde sie irgendwann seinen Hof verlassen.
Gideon riss seinen Blick von Adelaide los und drückte seinen Rücken fester an die Stallwand. Der Gedanke daran, dass sie weggehen könnte, gefiel ihm gar nicht.
„Als ich Sie meinen Namen rufen hörte“, fuhr sie fort und zog seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gesicht, „habe ich versucht, mich bemerkbar zu machen, aber er war zu stark für mich.“ In ihre braunen Augen stiegen neue Tränen. „Er hat mir fast die Luft abgedrückt. Ich konnte nicht atmen. Ich muss ohnmächtig geworden sein. Als ich wieder zu mir kam, hatten Sie ihn schon besiegt. Sie haben besser gekämpft als jeder Held.“
Sie hob seine Hand, die immer noch in ihrer lag, und küsste jeden einzelnen seiner aufgeschürften Knöchel. Plötzlich war er derjenige, der nicht mehr atmen konnte.
„Danke, Gideon. Danke, dass Sie mich gerettet haben.“
Unsicher, was er darauf antworten sollte, drückte Gideon nur leicht ihre Finger. Seine Gedanken purzelten wild durcheinander, weil sie seine Hand geküsst hatte. War das nur eine Geste der Dankbarkeit gewesen oder hegte sie tiefere Gefühle für ihn?
„Ich denke, ich bin bereit, zurück zum Haus zu gehen.“
Erleichtert darüber, dass er nicht länger über eine Antwort nachdenken musste, löschte Gideon die Laterne und half Adelaide beim Aufstehen. Sie hielt immer noch die Pferdedecke umklammert, wirkte jetzt jedoch wieder sicher auf den Beinen. Als sie in den Hof traten und das Mondlicht auf sie schien, besah sie sich den Schaden, den ihr Kleid genommen hatte, und zuckte schließlich mit den Schultern.
„Immerhin hat er ein Kleid ruiniert, das ich sowieso nicht mehr mochte. Ich glaube, dieses Ding bringt nichts als Unglück. Erst trage ich es bei dem Fiasko mit Henry und jetzt das. Vielleicht sollte ich es einfach verbrennen, es hat mir genug schlechte Erinnerungen beschert.“
Gideon blieb abrupt stehen. Ein völlig neues Gefühl stieg in ihm auf. „Wer ist Henry?“
Kapitel 13
Jetzt war es passiert. Wann lernte sie endlich, ihre Zunge zu zügeln? Adelaide dachte kurz darüber nach, Gideons Frage einfach zu ignorieren und ins Haus zu gehen, doch ihr Gewissen ließ das nicht zu. Er hatte sie gerade heldenhaft gerettet und sie dann so zärtlich getröstet, wie sie noch nie jemand getröstet hatte. Sie sollte diesem Mann alles opfern – auch ihren Stolz.
Langsam blieb sie stehen, konnte Gideon aber nicht ansehen. Noch nicht. Was, wenn er sie für schamlos hielt, weil sie sich für einen verheirateten Mann interessiert hatte? Würde er ihr dann
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