Sturz ins Glück
sollte sie sich darüber freuen, wenn ihr Rücken, die Rippen und das Gesicht von den Tritten der Kleinen getroffen wurden?
„Isabella. Halt!“ Ihr Tonfall verlangte Gehorsam, doch gleichzeitig umarmte Adelaide ihren Schützling, um ihr Nähe und Trost zu geben. Sie wusste, dass der Vorfall draußen diese Reaktion ausgelöst hatte, aber sie konnte es dem Mädchen nicht erklären, bis es sich beruhigt hatte.
Das Zappeln ließ nach. Vorsichtig lockerte Adelaide ihren Griff. „Ich weiß, dass du Angst hast. Lass mich dir erklären, was pass –“
Isabella riss sich von ihr los und starrte sie böse an. Dann hielt sie ihre Hand hoch wie eine Handpuppe und ahmte einen plappernden Mund nach. Schließlich warf sie die imaginäre Puppe auf den Boden und formte ihre Hände zu einer Pistole. Sie zielte auf Gegenstände in der Küche und tat so, als würde sie sie abschießen. Schließlich verschränkte sie ihre Arme so fest vor dem Körper, dass es ihren Rippen wehtun musste.
Adelaide war sicher, dass sie verstanden hatte, was das Mädchen meinte. Isabella wollte keine beruhigenden Worte hören. Sie wollte wissen, warum die Männer draußen Waffen trugen. Besser gesagt, bestand sie darauf, die Wahrheit zu erfahren.
„Mrs Garrett?“ Adelaides Augen ruhten weiterhin auf Isabella, während sie mit der Köchin redete. „Wir haben Mr Bevin versprochen, ihm von Ihren Ingwerkeksen zu bringen. Aber ich glaube, wir brauchen noch ein wenig Zeit. Wären Sie bitte so freundlich, während ich mit Isabella rede?“
„Was? Oh … Kekse. Ja, gut … Gerne.“ Mrs Garrett brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Sie sah auf den Holzlöffel in ihrer Hand, als könnte sie sich nicht daran erinnern, was er dort zu suchen hatte. Dann legte sie ihn kopfschüttelnd beiseite und nahm sich eine Handvoll Plätzchen, die sie in eine Serviette wickelte.
„Im Topf sind noch genug, falls Isabella auch welche möchte.“ Sie nickte in Richtung Schrank und verließ die Küche durch die Nebentür.
Adelaide zog sich einen Küchenstuhl heran und wartete darauf, dass Isabella es ihr gleichtat. Doch das Mädchen blieb trotzig stehen.
„Setz dich, Izzy.“
Die Kleine starrte sie immer noch finster an, löste jedoch ihre verschränkten Arme und setzte sich widerwillig. Tränen glänzten in ihren Augen hinter der Wut. Adelaide holte tief Luft. Sie würde Isabella die Wahrheit sagen. Eine Kinderversion der Wahrheit, aber doch die Wahrheit. Es war die einzige Möglichkeit, wie die Kleine begreifen konnte, was momentan vor sich ging.
Herr, hilf mir, dass ich die richtigen Worte finde.
„Erinnerst du dich an deinen Onkel Reginald?“
Isabella nickte und Neugier trat in ihre Augen.
Wie sollte man einem Kind erklären, dass sein nächster Verwandter ein habgieriger Gauner war, der nur ihr Geld haben wollte? Es würde ihr das Herz brechen. Er war ihr Onkel. Vielleicht hatte sie ihm früher vertraut und ihn geliebt. Doch Isabella musste die Wahrheit erfahren.
„Nach unserem Empfang, als ich das Kleid deiner Mutter zurück auf den Dachboden gebracht habe, habe ich in dem Koffer ein Tagebuch gefunden. Ein Buch, in dem deine Mutter ihre Gedanken aufgeschrieben hat.“
Isabella sah sie verständnislos an.
„Sie hat über deinen Vater und dich geschrieben und wie sehr sie euch beide geliebt hat. Sie klang glücklich, Izzy. Irgendwann lese ich dir einmal daraus vor.“ Adelaide lächelte, doch Isabella musterte sie, als spräche sie eine fremde Sprache.
„Es gab auch andere Geschichten in dem Buch“, erklärte Adelaide schnell weiter. „Geschichten über deinen Onkel Reginald.“
Endlich entspannte sich die Kleine und stützte ihre Ellbogen auf den Tisch, um ihr zuzuhören.
„Deine Mutter hat herausgefunden, dass dein Onkel ein paar böse Sachen gemacht hat. Deshalb wollte sie nicht, dass er sich um dich kümmert. Deshalb hat sie dich Gideon anvertraut, als sie so krank war. Sie wusste, dass er ein guter Vater sein würde. Er würde dich lieben und beschützen und sich immer um dich kümmern.“ Adelaide beugte sich nun selbst vor und strich Isabella liebevoll eine Strähne aus dem Gesicht. „Glaubst du, dass deine Mutter die richtige Entscheidung getroffen hat? War Gideon bisher ein guter Vater für dich?“
Isabella nickte energisch, doch ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Wieder hielt sie ihre Finger wie eine Pistole.
„Zu dem Teil der Geschichte komme ich gleich. Hab noch ein wenig Geduld.“ Adelaides Stuhl kratzte über den
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