Sturz ins Glück
Augenblick nicht jubeln. Ein Blick auf das versteinerte Gesicht des Kindes neben sich diente als warnende Erinnerung daran, dass die Kleine nicht gelächelt hatte, als Adelaide sie hier auf Westcott Cottage kennengelernt hatte. Ein Kind, das die Freude aus seinem Leben verbannt hatte, um den Schmerz nicht fühlen zu müssen. Doch ihre traumatischen Erlebnisse hatten ihr diesen Schmerz nicht genommen. Sie hatten ihn nur so lange unterdrückt, bis sie gar nichts mehr gefühlt hatte.
Adelaide kniete sich neben Gideons Tochter und schaute ihr ins Gesicht. Sie konnte nicht zulassen, dass Isabella sich wieder hinter ihre Mauern zurückzog. Während ihr Herz sich über die Tatsache, dass das Mädchen wieder sprach, freute, versuchte sie, sich äußerlich nichts anmerken zu lassen, um keine Aufmerksamkeit auf diese neue Entwicklung zu lenken. Isabella würde sich sicher schnell wieder zurückziehen, wenn sie auf ihre neu gefundene Sprache angesprochen wurde. Und außerdem war das im Moment nicht das Wichtigste. Izzy brauchte Antworten auf ihre Fragen, keine Jubelstürme wegen ein paar Worten.
„Nein, Schätzchen. Dein Papa ist nicht tot. Er ruht sich aus. Komm her.“ Adelaide umarmte Isabella, dann stand sie auf und hob die Kleine hoch.
Mit Isabellas kleiner Hand in ihrer beugte sie sich über Gideon. Sie legte die Hand des Mädchens oberhalb der weißen Bandagen auf seine Brust. „Fühlst du, wie er atmet?“
Isabella nickte.
„Das bedeutet, dass er am Leben ist.“
Isabella zog ihre Hand zurück und sah Adelaide an. „Wird er wieder gesund?“
Eine einfache Frage, doch Adelaide hatte darauf keine Antwort. Ihr Herz brach bei dem Gedanken daran, wie es ausgehen könnte.
„Warum nehmen Sie das Kind nicht mit in den Salon?“, mischte sich nun Mrs Chalmers ein und bewahrte sie vor einer sofortigen Antwort. „Ich setze mich zu Mr Westcott, bis der Arzt eintrifft.“
Adelaide zögerte, den Platz an Gideons Seite zu verlassen, doch sie wusste, dass es sein Wunsch wäre, dass sie sich nun um Izzy kümmerte.
„Also gut. Aber holen Sie mich bitte, sobald er aufwacht oder es irgendeine andere Veränderung in seinem Zustand gibt.“
„Natürlich.“ Die Haushälterin tätschelte Adelaides Rücken. „Sie haben Ihr Bestes getan, Miss. Der Rest liegt nun in Gottes Händen.“
Adelaides Blick blieb noch einen Augenblick länger an Gideons Gesicht hängen. Sie wollte ihn berühren, ihn küssen, bevor sie ging, da sie Angst hatte, dass sie nie wieder eine Gelegenheit dazu bekommen würde. Doch das war selbstsüchtig. Gideon hatte sie gebeten, sich um seine Bella zu kümmern, und genau das würde sie nun auch tun.
Im Salon ließ sich Adelaide in einem der Sessel nieder und zog Isabella auf ihren Schoß. Sie war überrascht, wie gut es sich anfühlte, endlich zu sitzen. Sich um Gideons Verletzung zu kümmern, war nicht nur seelisch anstrengend gewesen, wie sie nun feststellte. Auch ihr Körper war völlig erschöpft.
Isabella hob ihren Kopf von Adelaides Schulter und sah sie mit großen blauen Augen an. Adelaide strich dem Kind eine Haarsträhne aus dem Gesicht zurück hinter das Ohr.
„Ich hatte deine Frage noch nicht beantwortet, Izzy.“
Adelaide hätte ihr am liebsten versichert, dass alles gut werden würde, doch das wäre eine glatte Lüge gewesen. Solch ein leeres Versprechen brachte sie nicht übers Herz. Sie wollte der Kleinen Hoffnung machen, doch keine falsche Hoffnung, die nur ihr Vertrauen zerstören würde.
„Dein Papa Gideon ist sehr schwer verletzt worden.“ Adelaide versuchte, die harte Wahrheit durch einen weichen, liebevollen Tonfall erträglicher zu machen. „Ich habe alles getan, was ich konnte, damit es ihm besser geht. Der Arzt wird auch bald da sein. Ich glaube, dass es ihm bald besser gehen wird, aber wenn nicht, wird Gott sich um ihn kümmern. Und um uns.“
Isabella antwortete nicht. Da Adelaide sich nicht anders zu helfen wusste, nahm sie die Kleine wieder in den Arm und streichelte sanft über ihren Kopf.
Wie konnte sie die Hoffnung in einem Menschen wecken, der in seinem kurzen Leben schon so viel Schreckliches erlebt hatte? Isabella war zu jung, um selbst über ihre Situation bestimmen zu können, und hatte keinerlei Möglichkeit, sich an Gideons Pflege zu beteiligen, selbst etwas tun zu können.
Adelaide hob den Kopf, als eine Idee in ihr aufkeimte. Was, wenn sie der Kleinen die Möglichkeit gab, mitzuhelfen? Würde dann auch die Hoffnung wachsen? Es war einen Versuch
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