Sturz ins Glück
Isabella in dem Irrglauben lassen, ihre Gebete würden nicht helfen.
„Gott liebt uns, Izzy, und will uns Geschenke machen, aber diese Geschenke sind nicht immer so, wie wir es erwarten. Manchmal schenkt er uns Kraft und Trost, um weiterzuleben, anstatt den Menschen zu heilen, für den wir gebetet haben. Manchmal schickt er neue Menschen in unser Leben, die sich um uns kümmern – wie er deinen Papa Gideon geschickt hat, damit er für dich sorgt. Und manchmal schenkt er uns eine neue Freude, die wir anders nie bekommen hätten.“
Die Gefühle überwältigten Adelaide, als sie an Gottes Geschenk an sie dachte – einen heldenhaften Schafzüchter und seine bezaubernde kleine Tochter.
„Nachdem mein Vater gestorben war, hat meine Tante Louise sich um mich gekümmert“, versuchte Adelaide zu erklären. „Mein Herz hat so schrecklich wehgetan, dass ich dachte, ich würde nie wieder glücklich sein. Aber ich hatte unrecht. Mit der Zeit hat Gott mein Herz geheilt und mir eine neue Freude geschenkt – die Freude des Unterrichtens. Wenn ich nicht nach Boston gegangen wäre, wäre ich niemals Lehrerin geworden und hätte niemals dich und deinen Vater kennengelernt.“
Und mich in euch beide verliebt.
Adelaide presste ihre Lippen zusammen, damit sie nicht zitterten. Sie sprach erst weiter, als sie sicher war, dass ihre Stimme nicht brach.
„Ich weiß nicht, wie sich Gott bei deinem Vater entscheiden wird, Izzy, aber ich will ihn trotzdem darum bitten, ihn gesund zu machen. Und ich fange jetzt sofort damit an. Wenn du auch beten willst, kannst du es tun.“
Isabella zuckte mit den Schultern und kletterte von Adelaides Schoß. Sie kniete sich auf den Boden und faltete ihre Hände, so wie sie es abends vor dem Zubettgehen tat. Adelaide kniete sich neben sie.
„Lieber Gott“, betete Adelaide, „wir wissen, dass du uns liebst und nur das Beste für uns willst. Und im Moment finden wir, dass es das Beste ist, wenn Gideon wieder ganz gesund wird. Wir lieben ihn und brauchen ihn bei uns. Schütze sein Leben und mach ihn wieder ganz gesund. Im Namen deines Sohnes, der den Sieg über den Tod gewonnen hat. Amen.“
Adelaide blieb noch auf den Knien und hoffte, dass Isabella auch ein Gebet sprechen würde. Sekunde um Sekunde verging, ohne dass die Kleine sich rührte. Adelaide warf einen verstohlenen Blick zur Seite. Die Lider des Mädchens waren so fest zusammengepresst, dass sich Falten um ihre Augen gebildet hatten. Sie öffnete mehrmals den Mund, schien aber nicht die richtigen Worte zu finden. Immerhin versuchte sie es. Adelaide beugte wieder ihren Kopf und wartete.
„Gott“, flüsterte Isabella endlich, „ich weiß, dass du manchmal Ja und manchmal Nein sagst, aber diesmal musst du Ja sagen. Du musst Papa Gidyon gesund machen. Letztes Mal habe ich nur allein gebetet. Jetzt bete ich zusammen mit Miss Proctor. Also musst du zustimmen, weil wir zwei zu eins in der Überzahl sind. Amen.“
Zum ersten Mal an diesem Tag musste Adelaide sich nicht auf die Lippen beißen, um die Tränen zu unterdrücken, sondern um sich ein lautes Lachen zu verkneifen, das in ihr aufstieg.
Kapitel 30
Zuerst bemerkte er den Schmerz. Es war, als stächen hundert Messer in seine Eingeweide. Gideon stöhnte und versuchte, sich um seine schmerzende Mitte zusammenzukrümmen. Doch die Messerstiche wurden nur noch schlimmer. Langsam gewann sein Bewusstsein die Oberhand und somit auch die Erinnerungen. Getötete Schafe. Ein Hinterhalt. José. Eine Kugel in seinem Bauch. Petchey.
Er kämpfte darum, seine Augen zu öffnen, aber seine Lider waren wie festgeklebt. Er klammerte sich weiter an die Erinnerungen. Wenn er den Schmerz spüren konnte, war er noch nicht tot. Aber es gab keine Gewissheit, dass er noch lange durchhalten würde. Er musste mit James reden. Jetzt. Bevor es zu spät war. Er musste Addie und Bella beschützen.
Mit übermenschlicher Willenskraft zwang er seine Augen, sich zu öffnen und sich auf die getünchte Zimmerdecke zu konzentrieren. Als er mit großer Anstrengung den Kopf zur Seite drehte, kam der Küchenherd in Sicht. Und wenn er sich nicht täuschte, war der schwarze Fleck davor das Kleid seiner Köchin.
Mrs Garrett erhob sich und zog eine Pfanne aus dem Ofen. Sie stieß die Ofentür mit dem Fuß zu und grummelte etwas über starrköpfige Männer, die ein perfektes Abendessen ruinierten, weil sie sich anschießen ließen.
Dabei schluchzte sie und tupfte sich immer wieder mit der Schürze die Augen ab. Gideon
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