Sub Terra
einen Felsen – das Ufer. Blakely ließ Jason für einen Moment los und kletterte ans rutschige Ufer. Dann legte er sich auf den Bauch und streckte die Arme nach dem Jungen aus, der noch im Wasser trieb. Er erwischte mit den Fingerspitzen den Zipfel der Schwimmweste und zog Jason damit so weit näher, dass er die Weste mit den Händen ganz packen konnte.
Als er den Jungen ans Ufer ziehen wollte, öffnete Jason flatternd die Augen. Benommen und verwirrt, wie er war, geriet er in Panik, schlug mit den Armen wild um sich und stieß wirre Laute des Protests hervor.
Eine verirrte Hand traf Blakely an der Schläfe, so dass er den Jungen beinahe losgelassen hätte. Blakely versuchte, Jason mit strenger und gleichzeitig tröstender Stimme zu beruhigen: »Jason, bleib ruhig! Ich bin es, wir sind in Sicherheit.«
Seine Worte schienen zu dem Jungen durchzudringen. Sein Toben wurde zu einem schwachen Zappeln. »Na also«, sagte Blakely, als er ihn ans Ufer zog. Er zerrte ihn von der Kante fort und ließ sich dann neben ihn fallen. Jason versuchte, sich aufzurichten, doch Blakely, vollkommen außer Atem, hielt ihn zurück. »Nicht bewegen. Ruh dich aus«, keuchte er.
Das Adrenalin, das sein Organismus vorher noch ausgeschüttet hatte, sickerte nun tief in das glitschige Felsgestein. Plötzlich spürte er, dass seine Arme und Beine vom Wasser und von der Anstrengung schwer waren. Einen Augenblick lang ließ er den Kopf hängen, dann holte er tief Luft. Was sollten sie jetzt tun?
Neben ihm hustete Jason Wasser, so dass sich Blakely wieder um ihn kümmerte. Er griff über ihn hinüber, löste die Schnallen seiner Schwimmweste und untersuchte ihn nach weiteren Verletzungen. Keine gebrochenen Knochen, keine Fleischwunden. Vorsichtig tastete er die Wunde an Jasons Kopf ab. Er musste gegen einen Felsen geprallt sein. Blakely schnitt eine Grimasse, doch kam er zu der Überzeugung, dass die Wunde schlimmer aussah, als sie war. Dennoch benötigte er den Erste-Hilfe-Koffer vom Boot, um dem Jungen Antibiotika zu geben und einen trockenen Verband anzulegen.
Er schaute zu der Stelle wenige Meter vor dem Ufer, wo die Überreste des Boots dümpelten. Bevor es wieder abgetrieben wurde, wollte er auf jeden Fall noch bergen, so viel er konnte – Lebensmittelrationen, Stablampen, Erste-Hilfe-Koffer. Keiner wusste, wie viel Zeit sie hier unten verbringen mussten.
Er blickte zu Jason. Der Junge erwiderte seinen Blick. Seine Augen waren wieder hell und klar. Jason leckte sich über die Lippen. »Mein Kopf tut weh«, sagte er mit einem heiseren Flüstern.
»Ich weiß, mein Junge. Du hast ihn dir ziemlich heftig gestoßen.«
Jason hob die Hand und befühlte den Kopf. Dann starrte er mit großen Augen auf seine blutigen Fingerspitzen.
Blakely klopfte ihm auf die Schulter. »Das wird schon wieder. Es ist nur ein kleiner Schnitt. Ich schwimme zum Boot und hole dir einen Verband.«
»Aber …«
»Mach dir keine Sorgen, ich bin gleich zurück.« Blakely stieß sich mit einem Stöhnen hoch. Durch seine Brust schossen alarmierende Schmerzen. Eigentlich wollte er nicht mehr ins Wasser. Doch er hatte keine andere Wahl.
Jason stützte sich auf einen Ellbogen und sah ihm schweigend zu.
Blakely glitt ins Wasser und schwamm zum Boot. Zum Glück war es mittlerweile näher ans Ufer getrieben, während er Jason getröstet hatte. Nur wenige Züge, und er war dort. Das Boot ragte nur noch halb aus dem Wasser. Obwohl alles mit Strippen und Riemen festgebunden worden war, waren doch ein paar Gegenstände losgerissen worden. Wenigstens waren die Nahrungsmittel und der Erste-Hilfe-Koffer noch da.
Er durchsuchte die Überreste des Boots. Verflucht, der Plastikbehälter, der die Ersatzstablampen und die Batterien enthielt, war abgerissen worden. Indem er sich auf den unversehrten Schwimmer aufstützte, ruhte er sich einen Moment aus. In dieser Höhle wäre das kein Problem, der Schimmel gab genügend Licht ab. Aber was, wenn sie die Höhle verlassen mussten?
Er schüttelte den Kopf und durchsuchte den Rest des Boots. Er fand Jasons Sporttasche an einer Schlinge festgebunden und befühlte die Tasche. Hm, sie bestand aus wasserdichtem Material. Diese Entdeckung würde den Jungen mit Sicherheit ein wenig trösten. Er löste den aufgequollenen Knoten mit den Fingerspitzen und legte die Tasche auf den Arm, mit dem er die Vorräte festhielt. Nach einem letzten flüchtigen Stöbern stieß er sich vom Boot ab und schwamm auf das Ufer zu. Zum Glück war es nicht weit.
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