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Substance-Die Formel

Substance-Die Formel

Titel: Substance-Die Formel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boyd Morrison
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sehen?«
    »Aber ich lebe. Es geht mir gut.«
    »Und mein Vater ist tot. Und ich bin daran schuld.«
    Plötzlich überwältigten ihn die Tränen. Erica zog seinen Kopf an ihre Schulter und tätschelte ihm das Haar, während er weinte.
    Eine Minute später fasste er sich wieder und trocknete sich die Tränen mit einer Serviette ab.
    »Warum heule ich eigentlich? Ich habe drei Jahre lang kein Wort mit dem Mann gesprochen, und nun flenne ich wie ein Baby.«
    »Weil er dein Vater ist und weil du stolz auf ihn sein kannst. Er ist einen heldenhaften Tod gestorben. Wäre er nicht gewesen, wer weiß, was uns zugestoßen wäre.«
    Kevin wusste, dass sie recht hatte. Murray war ihnen gefolgt, um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung war. Als er erkannte, dass sie verfolgt wurden, handelte er. Vielleicht hatte er sich tatsächlich verändert, seit Kevin ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    Erica streichelte weiter Kevins Hinterkopf. Die tröstende Bewegung versetzte ihn um Jahre zurück.
    »Meine Mutter war eine großartige Frau«, begann er nach einer langen Pause. »Wenn ich deprimiert war, weil ich von den anderen nicht akzeptiert wurde, hat sie mich darin bestärkt, trotzdem gut in der Schule zu sein. Es ist nämlich eine denkbar schlechte Kombination, wenn man ein Dickerchen mit Köpfchen ist. Du brauchst dich deiner Intelligenz nicht zu schämen, hat sie immer gesagt, deine Mitschüler sollten sich schämen, dass sie sich nicht um gute Noten bemühen.«
    »Ich weiß, wovon du redest.«
    Kevin spielte mit seinen Pommes frites. »Nein, das weißt du nicht. Jemand, der so gut aussieht wie du und so gut schwimmen konnte, kann gar nicht unbeliebt gewesen sein.«
    »Machst du Witze? Unter Mädchen ist es noch schlimmer. Neid in der Schule kann sehr gefährlich sein.«
    »Du hattest aber wenigstens einen Vater, der dich unterstützt hat. Für meinen Vater stellte Intelligenz keinen Vorteil dar. Einmal sagte er: ›Nick, wenn du nicht für dich selbst eintrittst wie ein richtiger Mann, kannst du deine ganze Intelligenz abschreiben. Dann bist und bleibst du ein Waschlappen, und niemand hat Respekt vor einem Waschlappen.‹ Vermutlich wollte er mich aufbauen, aber ich habe mich ständig wie ein Versager gefühlt. Von Herzen mochte ich ihn nur dann, wenn wir zusammen auf die Jagd gingen. Wenn Mutter oder seine Freunde anwesend waren, musste er immer den starken Mann hervorkehren, aber wenn wir allein waren, konnte er richtig humorvoll sein.« Kevin blickte auf. Der Obdachlose war gegangen.
    »Woher wusstest du, dass er Lungenkrebs hatte?«
    Erica zog ihre Hand zurück und wurde rot. »Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren hast. Er hatte es mir gesagt, als er uns zum Laden brachte und du schon vorgegangen warst. Er wollte seinen Frieden mit dir machen. Er hatte nicht mehr viel Zeit.«
    »Und nun ist gar keine Zeit mehr.« Kevin verstummte.
    »Und was jetzt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Die Polizei wird wissen wollen, wie das mit deinem Vater passiert ist.«
    »Das ändert nichts. Wir haben noch immer keinen Beweis und in unserem Kielwasser jede Menge Leichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die hiesige Polizei uns hilft …«
    Erica dachte eine Weile nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Wir halten uns also an unseren Plan?«
    Kevin nickte. »Wir setzen unseren Weg nach Virginia fort, damit wir dort unser Beweisstück anfertigen können.«
    »Soll ich fahren?«
    »Nein, ich muss etwas tun. Du solltest essen und ausruhen.«
    Sie schoben das kalte Essen beiseite und bestellten neues. Dann stiegen sie in den Chevy und verließen Dallas.

SECHSUNDZWANZIG
    Kellner mit weißen Handschuhen schwirrten durch den gedämpft beleuchteten Speisesaal des Houston Grills wie fleißige Bienen. Die Ölindustrie tagte in der Stadt, und der private Club war an diesem Montagabend ungewöhnlich gut besucht. Wer seine Gäste elegant bewirten und die dabei anfallenden Kosten seiner Firma in Rechnung stellen wollte, schätzte den Grill. Ein Großteil der Anwesenden würde später einen der zahlreichen Herrenclubs im Westen der Stadt aufsuchen, um sich weiter auf Kosten diverser Spesenkonten unterhalten zu lassen. Niemand verzog auch nur eine Miene darüber, dass man die Edelstriplokale ausgerechnet als Clubs für »Herren« bezeichnete.
    Clayton Tarnwell fand diese Etablissements nicht nur bei Geschäftsverhandlungen förderlich, er suchte sie auch oft auf, wenn er die Nacht nicht allein verbringen wollte. Das Essen im Club war gut,

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