Such mich Thriller
ist unzurechnungsfähig«, sagte Magritte zu seinem Anrufer. »Was hättest du von ihr zu befürchten?«
Im Telefon hörte er als Hintergrundgeräusch ein leises Summen, ihm war, als kröchen schwarze Fliegen in seinem Ohr herum - ein widerwärtiges Gefühl.
»Schau hin«, sagte der Anrufer. »Nach links, Alter. Siehst du sie jetzt?«
Dodie saß auf der Kante eines Klappstuhls, die dünnen Beinchen hochgezogen und vorgebeugt wie ein Vogel auf der Stange. Jetzt fing sie an, sich zu wiegen, und Magritte fürchtete jeden Augenblick, sie würde fallen. Da aber nahm der Vater sie in die Arme, drückte sie an sich und sah sich nach dem Grund für ihre Unruhe um.
»Da hast du’s«, sagte die Stimme am Telefon. »Sie wiegt sich, sie summt, Dodie sendet jede Menge kleine Signale, subtile Hinweise.«
Sie diskutierten noch eine Stunde darüber. Magritte führte ein völlig rationales Gespräch mit dem Teufel. Dabei ließ er den Blick über das Lager wandern. Bei den vielen Neuen hatten
die FBI-Agenten die Übersicht verloren. Dodie Finns Stalker wusste, wie man sich ein Fahrzeug beschaffte. In welchem dieser Autos er heute Abend wohl saß?
»Wenn es vorbei ist«, sagte sein Anrufer, »erlaube ich dir, meine Fotos Detective Mallory zu übergeben.«
Magritte seufzte. Natürlich - das hätte er sich denken können. Jetzt hatte der Killer Mallory in die Legende einbezogen, die er für sich erdacht hatte und deren Ende noch ausstand. Diese junge Frau würde der Welt seinen wunderbaren Plan erklären, denn von Magritte konnte man nicht erwarten, dass er nach so vielen Jahren sein Schweigen brach. Seine Rolle war die des Archivars, und jetzt begriff er auch, warum es Polaroid-Aufnahmen hatten sein müssen. Von denen gab es keine Negative.
Wenn es vorbei ist?
Jede Legende braucht ein dramatisches Finale. Doch was war diese Sucht nach Ruhm anderes als der klägliche Versuch eines kleinen Jungen, die Eltern zu erreichen, die vor ihm geflüchtet und untergetaucht waren? Es war mehr als Rache, dieser irrwitzige Hilfeschrei eines verlassenen Kindes, und Magritte brachte sogar Mitleid mit einem Kindermörder auf, der ihn zu vernichten trachtete. Die Zeit war reif. Dodie musste überleben.
Magritte sah auf das Messer, das er fest in der Rechten hielt. Hatte er sich wirklich eingebildet, ein Kind auf diese Weise retten zu können? Seine wirksamste Waffe war immer das Wort gewesen. »Weitere Fotos zum Verbrennen«, sagte er zu seinem Anrufer, seinem Folterer.
»Wie war das?«
»Du denkst doch nicht, dass ich sie aufhebe?« Magritte dehnte das Schweigen eine endlose Minute lang. »Du hast dir keine Kopien gemacht, nicht? Nein, natürlich nicht. Sie sind nicht mehr da, ich habe sie verbrannt.«
Der Anrufer hatte aufgelegt. Magrittes Nützlichkeit für einen Psychopathen hatte sich gerade erledigt. Er saß jetzt kerzengerade, das Messer in beiden Händen. Stunden vergingen. Der Himmel wurde heller, die Sterne waren verschwunden, als selbst die Angst ihn nicht mehr wach halten konnte. Seine Augen schlossen sich, aber nur so lange, bis die Sonne über den Horizont gestiegen war. Das Licht des frühen Tages fiel schräg durch die Windschutzscheibe, als er vom Gebell der Hunde aufwachte. Zelte wurden abgebrochen, Fahrzeuge beladen. Bald würde der Konvoi wieder rollen. Als er zum Seitenfenster hinaussah, schnappte er nach Luft. Detective Mallorys Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt. Sie sah auf das Messer in seinem Schoß und riss die Wagentür auf.
»Sie gehören hinter Gitter, alter Mann. Was für einen Kuhhandel haben Sie mit Agentin Nahlman geschlossen?«
17
W ieder drohte ein Aufstand. Charles Butler war in der Menge eingekeilt, aber Riker, eine Plastiktüte aus dem Schnapsladen in der Hand, hatte ihn entdeckt. »Was gibt’s denn hier?«
»Ärger.« Charles deutete auf den Reporter eines Kabelsenders, der auf einem Auto stand und ein Megafon in der Hand hielt. »Er will die Eltern dazu bringen, die Panoramastraße nach Santa Fé zu nehmen.«
»Keine gute Idee.« Riker riss eine Bierdose auf und nahm einen großen Schluck. »Der Konvoi würde den Santa-Fe-Loop innerhalb einer Viertelstunde verstopfen.«
Jetzt sahen sie, wie Mallory auf die Motorhaube eines Pickups kletterte, so dass sie zwei Köpfe höher stand als der Reporter. Sie brauchte kein Megafon. Die Menge war bei ihrem Anblick zur Ruhe gekommen und wartete. »In einem meilenweiten Stau seid ihr leichte Beute.« Sie drehte sich langsam um die eigene Achse,
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