Such mich Thriller
das noch zuließ.
Dann trug er ihn ins Zelt und legte ihn neben die schlafende Dodie. Lange betrachtete er seine kleine Tochter, versuchte durch schiere Willenskraft, ihrer Seele zur Heilung zu verhelfen. Dann rollte er seinen Schlafsack vor dem Zelt aus, so dass er mit seinem Leib den Weg zu den Kindern versperrte.
Mit dem Wort Ironie konnte der Boxer nichts anfangen, sonst hätte er mit jedem Schmerz, den ihm seine alten Kampfwunden zufügten, die Ironie des Schicksals gespürt. Er hatte
viele Schläge eingesteckt, hatte die häufige Trennung von seiner Familie in Kauf genommen, um seinen Kindern eine gute Zukunft zu sichern. Jetzt aber verwandte er seine Ersparnisse auf die Suche nach dem Kind, das er verloren hatte, weil er nicht da gewesen war, um es zu beschützen.
Ariel, meine Ariel.
Den Namen hatte seine verstorbene Frau, die jüdische Wurzeln hatte, seiner Erstgeborenen gegeben. Er kam aus dem Hebräischen und bedeutete »Löwin Gottes«.
»Wie viel können Sie aushalten?« Mallory hatte die Arme um die weinende Frau gelegt.
»Alles«, sagte Mrs. Hardy mühsam.
Die FBI-Agentin, die hinter der weinenden Mutter gestanden hatte, kniete sich neben Mrs. Hardy auf die Decke. »Ich habe den Polizeibericht von damals gelesen. Sie haben Blut am Boden gefunden, an der Bushaltestelle. Dort ist Melissa gestorben.«
»Dann hat er nicht … er hat nie …«
»Nein. Sie wurde nicht sexuell belästigt. Wir haben nie ein Kind mit mehr als einer Wunde - der tödlichen Wunde - gefunden. Sie ist da gestorben, wo man ihr Blut auf der Straße gefunden hat.«
Mrs. Hardy nickte. Das war eine Bestätigung dessen, was sie schon von Mallory gehört hatte.
»Es war ein schneller Tod«, sagte Nahlman. »Ich denke mir, dass Melissa nicht einmal das Messer gesehen hat, sie hatte keine Zeit, sich zu fürchten.«
»War es wie Einschlafen?« Mrs. Hardy löste sich aus Melissas Armen, um der FBI-Agentin in die Augen sehen zu können.
Mallory sah Christine Nahlman wortlos an. Wie konnte eine Mutter sich von so einem Märchen hinters Licht führen lassen?
»Ja«, sagte Nahlman nach einer kaum merklichen Pause.
»Wie Einschlafen. Ohne Angst.« Damit hatte sie für diesen Abend ihre gute Tat getan und ging davon.
Mallory hielt nichts davon, trauernden Eltern gut gemeinte Lügen aufzutischen. Sie sah ein kleines Mädchen vor sich, das mit hämmerndem Herzen und in würgender Angst zusah, wie das Blut aus der durchtrennten Kehle über ihr Kleid strömte und auf ihre Schuhe spritzte. Sie sah das Grauen in Melissas Augen, als sie starb.
Die ganze Nacht blieb Mallory bei Mrs. Hardy, hielt sie in den Armen, wiegte sie sanft und wartete geduldig, bis sie die Lügen abgearbeitet hatte. Eine Mutter ließ sich nicht lange täuschen. Mallory wusste das von ihren eigenen Müttern - Cassandra, die sie zur Welt gebracht hatte, und Helen, ihrer Pflegemutter. Mütter wussten alles, sie waren undurchschaubar und wunderbar.
Gegen Morgen fing Melissas Mutter noch einmal an zu weinen. »Sie muss schreckliche Angst gehabt haben.«
»Bestimmt.« Mallory hielt ihr eine Wasserflasche an die Lippen und zwang sie, einen Schluck zu trinken. »Ich will Ihnen etwas sagen.« Sie griff auf ihre eigenen Erfahrungen zurück, um die richtigen Worte zu finden. »Wenn ein Kind sehr große Angst hat, ruft es immer nach der Mutter.«
»Aber meine Melissa …«
»Nein«, sagte Mallory. »Rufen konnte sie nicht mehr. Aber sie hat es versucht. Und deshalb weiß ich, dass Melissa an Sie gedacht hat, als sie starb.«
Die Tür an der Fahrerseite stand offen. Riker hatte einen Fuß auf dem Boden und eine Hand an der Waffe. Die Sonne stieg gerade über dem Horizont hoch, und er setzte die Sonnenbrille auf, um den Mann im Auge zu behalten, der neben dem Wolf herging, den Mann, der mehr als einen Namen hatte. In Rikers
Notizbuch war er George Hastings, und auf diesen Namen war der Pickup zugelassen. Auf Dr. Magrittes immer länger werdenden Liste wurde er nur mit seinem Internet-Decknamen geführt. Und die jungen FBI-Agenten hatten ihm den Spitznamen Wolfsmann gegeben. Aus Rikers Sicht war das völlig daneben. Dieser Mann war nicht bösartig und nicht jähzornig, sondern sehr geduldig, und eben das machte Riker Sorgen.
Jills Dad näherte sich mit dem Wolf dem Mercedes, hob eine Hand und deutete auf seine Armbanduhr, um zu zeigen, dass er sich an die vereinbarte Viertelstunde gehalten hatte, dann ging er zu seinem Pickup und schloss wie versprochen den Wolf in der
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