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sich zu Hause gemütlich gemacht, einander besucht. Schon der geringste Grund für eine Verabredung war gut genug gewesen. Die dunkle Zeit war gar nicht so übel, nicht wahr? Wenn man nur so weitermachen könnte.
Doch dann war jäh Schluss, und der Alltag war wieder eingekehrt. Diese dunkle Zeit war mürrisch, unvorhersehbar, der dritte der vielen Winter in den Polargebieten. Von einem Tag auf den anderen war außerhalb der eigenen vier Wände fast alles verändert. Ein grauer Wind aus dem Süden fegte kalten Regen durch den Ort, der alles in Eis erstarren ließ, er drang durch geschlossene Türen und brachte die Menschen dazu, die Kachelöfen emsig zu befeuern und Holz im Kamin nachzulegen. Zumindest die, die das Glück hatten, einen Kamin zu besitzen. Doch der Regen fegte wie ein Fluch über alle hinweg, die ihre Nase vor die Tür steckten. Das Eis auf dem Boden wurde schwarz und schluckte alles, was es an Licht noch gab.
Nichts fand mehr statt, weder bei der Arbeit und schon gar nicht, wenn man erst einmal zu Hause war. Die Leute lagen auf dem Sofa, machten einen kleinen Mittagsschlaf, bis es an der Zeit war, ins Bett zu gehen.
Im Büro des Regierungsvertreters kamen sie schon gähnend zur Arbeit, begannen den Tag mit großen Thermoskannen voll Kaffee, besuchten einander in den Arbeitszimmern und ließen sich auf die Bürostühle sinken.
»Na, gibt es etwas Neues? Ist was passiert?«
Doch es gab nichts Neues, über das man hätte reden können. Und vor den spiegelschwarzen Fenstern geschah auch nichts. Es schien, als wäre der gesamte Ort Longyearbyen tausend Faden tief in ein Meer versenkt worden, von dem noch nie jemand etwas gehört hatte. Sie waren verloren, und alle ausgesandten Signale kamen wie ein Echo wieder zurück.
Frøydis Hanseid und Tor Bergerud begegneten sich zum ersten Mal an einem der finstersten Tage des Winters vor dem Supermarkt. Es war gleich Anfang Januar, die Weihnachtsdekoration hing noch in den Schaufenstern, verstaubt und fremd, wie nicht eingelöste Versprechen nach einem Fest, das schon viel zu lange gedauert hatte.
Der erste Monat des Jahres konnte in der Arktis kalt, dunkel und schön sein. Aber die ersten Tage dieses Jahres lagen mitten zwischen zwei Kälteperioden. Warme Strömungen vom Atlantik zogen in einem schmalen Korridor zwischen zwei Hochdruckgebieten in den Norden und brachten schneidenden Regen über die kleine arktische Stadt. Innerhalb nur weniger Stunden war der Boden mit einer dicken, nassen Schicht Schneematsch bedeckt. Von den großen Schneewehen, die sich zu beiden Seiten der Wege aufgetürmt hatten, waren nur noch Reste übrig, schmutziggraue Haufen wie die Knochen eines prähistorischen Schlangensauriers. Es war kaum möglich, sich zu Fuß vorwärts zu bewegen. Die wenigen Fußgänger mühten sich breitbeinig mit steifen Bewegungen ab voranzukommen, immer in der Erwartung, jeden Moment auf dem unsicheren Untergrund auszurutschen.
Frøydis fiel vor dem Laden hin, mit zwei Plastiktüten voller Lebensmittel in den Händen. Alle in ihrer Nähe sahen zu. Einige mussten sogar schmunzeln. Da lag sie also. Die Hände hatte sie sich am Eis aufgescheuert. Ihr Hosenboden war vollkommen durchnässt. Ihr Einkauf kullerte aus den Tüten und lag verstreut um sie herum.
Er blieb stehen und half ihr auf. »Bist du nicht Frøydis Hanseid?«, fragte er, obwohl er genau wusste, wer sie war. Sie lächelte, in erster Linie, weil ihr die Situation peinlich war, und dann fing sie an zu weinen.
»Aber Frøydis. Hast du dir wehgetan?«
Sie wischte sich die Tränen ab, und er half ihr, ihre Kleidung abzubürsten, die Einkäufe einzusammeln, die nass und schmutzig vom Schneematsch waren, und sie wieder in die Tüten zu packen. Dann gingen sie ins Café Schwarzer Mann. Er fasste sie unter den Arm und geleitete sie ins Café, als hätte sie einen Unfall gehabt. Im Lokal war es halbdunkel, Teelichter auf den Tischen, die Lampen an der Decke waren nicht eingeschaltet. Warm wie in einer Höhle, so wie es meistens in den Häusern in der dunklen Zeit war.
Nachdem sie sicher an einem der Tische ganz hinten im Raum saß, ging er an den Tresen und kaufte Kaffee und Waffeln mit Sahne und Erdbeerkonfitüre. Zunächst behauptete sie, sie wolle nichts essen. Doch nachdem sie eine Weile gesessen hatten, hatte sie doch alles in sich gestopft. Anfangs wussten beide nicht, was sie sagen sollten, abgesehen davon, dass das Wetter schlecht war und die rutschigen Straßen lebensgefährlich.
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