suchen Gespenster
Höhe, vom Sturm förmlich durch die Luft geworfen. Mit großen Augen starrten die Lindenhof-Mädchen hinaus. Solches Wetter kannten sie von ihrer Schule nicht. Die lag geborgen hinter einem Hügel, der die meisten Stürme abfing. Als das Gewitter näher kam, Blitz und Donner schnell aufeinanderfolgten, wurde es vielen himmelangst. Da half es wenig, dass die Größeren versicherten, es könnte nichts passieren. Es gab ja überall Blitzableiter. Die Zeit, bis es draußen wieder ruhiger wurde, erschien allen endlos. Zu allem Überfluss ging das Licht aus. Hatte der Blitz in die Leitung eingeschlagen?
Und dann geschah es: Draußen, vom Gang her, war ein Ächzen zu hören. Dann klirrten Ketten, die über den Boden geschleift wurden. Eine Peitsche knallte ...
Leichenblass saßen die meisten da ... auch die Mädchen aus der Vierten, an deren Gemeinschaftsraum der Spuk vorbeizog. Doch bei ihnen dauerte der Schrecken nicht allzu lange.
„Bobby, deine Ketten!“, rief Hanni plötzlich. „Kommt mit!“, schrie sie den anderen zu, als sie die Tür schon aufgerissen hatte, um den Gang entlangzulaufen.
Das hörten die „Gespenster“ aber auch und fingen plötzlich an zu rennen. Sie kannten sich gut aus – besser als die Lindenhofer. Außerdem wurde es draußen schon dunkel, ebenso in den Räumen. Eine Diele knarrte, eine Falltür öffnete sich, noch einmal rasselten und schepperten die Ketten, die unter der Falltür verschwanden ... Und verschwunden waren auch die Gespenster – irgendwo durch eine Tür oder ein Fenster ... Wer wusste das?
„Es ist doch zum Heulen“, stöhnte Bobby. „Ich schleppe die Ketten her und andere treiben Unfug damit.“
„Unfug treiben wolltest du ja auch“, antwortete Hilda lachend.
„Sicher! Aber es ist doch ein himmelweiter Unterschied, ob ich den Spaß selber veranstalte oder andere. Und die Ketten muss ich nun auch wieder suchen. Die soll ich ja zurückbringen.“
Was blieb ihr und den Freundinnen übrig, als in den nächsten Tagen an allen Stellen, wo Dielen knarrten, nach einer Falltür zu suchen? Drei Tage brauchten sie dazu, denn sie konnten ja bloß herumgucken, wenn die Luft rein – also keine Lehrerin in der Nähe war.
Dann rief Doris endlich: „Ich hab‘s.“ Sie stand vor einer knarrenden Diele – zwei Bretter, die anders nebeneinanderlagen als die übrigen! In einem davon sahen sie eine kleine runde Öffnung, die einem Astloch glich und deshalb nicht auffiel. Ja, wer sollte merken, dass dies eine Falltür war! Doris mit ihren scharfen Augen hatte richtig gesehen. Sie steckte einen Finger durch die Öffnung. Die beiden Bretter hoben sich. Die Mädchen, die inzwischen hergekommen waren, griffen nach den Brettern ... In mindestens anderthalb Meter Tiefe lagen die Ketten! Sie mussten sich ganz schön anstrengen, um sie heraufzuholen. Hätten sie in Herrn Hofmanns Schuppen nicht einen eisernen Rechen gefunden – sie hätten es kaum geschafft. So aber schleppte Bobby am nächsten Abend die Ketten wieder zum Schmied, wütend, dass sie alle Anstrengungen nur für andere unternommen hatte.
Als sie an diesem Abend zu Bett ging, seufzte es lange und anhaltend.
„Aber Bobby“, sagte Carlotta lachend, „du scheinst dir den Reinfall mit den Ketten sehr zu Herzen zu nehmen. Solch ein tiefer Seufzer!“
„Ich habe nicht geseufzt“, antwortete Bobby. „Ich dachte, eine von euch hätte es getan.“
„Ich gewiss nicht“, rief Carlotta und wollte sich behaglich ausstrecken, da seufzte es wieder.
„Also hast du geseufzt, Jenny.“
„I-i-i-ich? Warum sollte ich seufzen? Der letzte Klassenaufsatz war gut, die Hausarbeit ist fertig und ...“, sie hopste ins Bett, „nanu?“
Es seufzte. ES! Wer war ES? Das Seufzen klang echt, abgrundtief und richtig ansteckend. Seltsam! Aber so leicht waren helle Mädchen nicht hinters Licht zu führen. Das Seufzen musste mit den Betten zusammenhängen.
Sie standen auf und räumten die Matratzen heraus. Na freilich! Unter jeder Matratze lag eine handgroße Gummiblase. Drückte man drauf, wurde die Luft rausgepresst. Das hörte sich an wie ein Seufzer. Lachend holten sie die Dinger raus und versuchten durch langsames und schnelleres Quetschen die verschiedensten Seufzer hervorzubringen. Dabei quietschten sie bald mit den Dingern um die Wette.
Das hörte Frau Roberts, die an diesem Tag die Aufsicht hatte. Sie kam ins Zimmer und wunderte sich nicht wenig über den Anblick: Die Betten waren umgestülpt, die drei Mädchen hockten auf den
Weitere Kostenlose Bücher