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Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Titel: Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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die Gesamtkinderzahl – »nine«. Ich taumelte und kicherte. Jetzt hatte ich den passenden Vorwand, ja eine fromme Ausrede, und machte mich auf den Weg zu den Hilfreichen. Jetzt wollte ich es wissen und sie fragen: »Bin ich Manns genug für neun Kinder?«
    Das wurde ein wunderbar heiterer Vormittag. Unter einem falschen Namen – Andrew Lightfoot aus New Jersey – klopfte ich an. Bei den »Sexologists« und »Sextherapists«, die hier ihre hoch dotierten und geheimnisvollen Gaunereien trieben. Und landete in insgesamt drei lausigen Wohnungen, drei »renommierten Sexkliniken«.
    Das Trio muss sich abgesprochen haben, denn bei jedem lagen schmale Heftchen herum, die den Patienten einstimmen sollten. Um die Seriosität der Etablissements zu betonen, wurde darauf hingewiesen, dass eine Diagnose nur nach einem »thorough physical check-up« erfolgen könnte. Nachdem ich den Satz zu Ende gelesen hatte, schaute der (erste) Onkel Doktor zur Tür herein und bat mich ins drei Quadratmeter winzige Sprechzimmer. Und ich beichtete eiskalt meine »sexual weakness« und den damit verbundenen Schrecken. Denn eine Hochzeit sei geplant, aus der laut indischer Sterne neun Kinder entspringen sollten. Ob er denn eingreifen und mich aufmöbeln könnte?
    Und sogleich kam der delikateste Augenblick, heikel in zweifacher Bedeutung. Weil ich jetzt die Hose herunterlassen und zeitgleich einen drängenden Lachkrampf bändigen musste. Denn die drei Sexganoven – jeder in seiner eigenen Bruchbude – übten nun ihr Handwerk aus und begannen die »Ganzkörper-Untersuchung«. Augenblicke intensivster Heiterkeit. So bizarr, so abenteuerlich bewiesen sie ihre Ahnungslosigkeit.
    Und nur darin, im Grad ihrer Inkompetenz, unterschieden sie sich. Einer, Dr. Gupka, legte ein Stethoskop an meine most private parts (Stunde der Wahrheit), der zweite, Dr. Sablok, brauchte eine Lupe (deprimierend) und der Letzte, Dr. Rajinder, pulte mit einem Elefantenvibrator (erfreulich) an mir herum.
    Damit war das Examen beendet und die Diagnose stand. Ich war gefasst, denn die Mienen der Experten bekundeten Sorge. Mit Recht, denn ihre Resümees klangen matt, nur verhalten optimistisch. »Kein einfacher Fall!«, bekam ich mehrmals zu hören, ebenso »kaum eine Reaktion!« und – entscheidend fürs Geschäft – »die Behandlung wird dauern!«. Jeder sagte es ein wenig anders, aber alle meinten das Gleiche.
    Und ruckzuck folgte der zweite Teil der »consultation«, jetzt priesen sie ihre Heilkräuter an, »specially made in China« (seit der Verbreitung von Ginseng gilt das Land als allererste Adresse für einschlägige Gebrechen). Aus dem Indischen übersetzt hieß das: In einem schattigen Hinterhof, zwei Gassen weiter, ließen sie mehlsackweise ihre Placebos herstellen. Wie belanglos. Hier zählen die wunderglitzernden Worte, das Versprechen, zählt der Singsang eines Hochstaplers, der das Opfer mit Sprache in eine selige Ohnmacht manövriert, ihm die unbezahlbare Illusion schenkt, dass Hoffnung und Heilung auf jeden warten.
    So offerierte Quacksalber Nummer eins ein »African root treatment«, einen Wurzelsaft aus kongolesischen Wäldern. (Dass gerade von China die Rede war, soll niemanden stören.) Der Lupen-Doc offerierte die »Nawabi-Shahana-Super-Special-Pills«. Als ich ihn fragte, woher sie stammten, legte er den rechten Zeigefinger auf den Mund. »Secret composition, sorry.« Nur so viel: »Edelsteinpulver« und »Goldstaub« und »Silberkrümel« und – einsamer Höhepunkt – »fußgestampfte Kräuter«. Könnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen, ich würde den Lügenbaron umarmen. Aus Dankbarkeit für die Inszenierung dieser närrisch-munteren Hanswurstiade, die er seinen Kunden bot. Und Mister Rajinder, der Besitzer eines herkulischen Vibrators, legte einen Behälter auf den Tisch, groß wie die Popcorn-Schachtel einer amerikanischen Couchpotato, die das »London Special« barg, nein, verbarg. Denn selbstverständlich wurde auch über diese Mixtur strengstes Stillschweigen gewahrt.
    Über den Preis nicht. Hier sprachen sich die Herren aus, er wäre – ist das nicht hinreißend verräterisch? – »a very special price for you«. Das war das erste Mal, dass ich ihnen jedes Wort glaubte. Wenn auch anders als von ihnen beabsichtigt. Bei Gott, für Mister Lightfoot, den Ami, hatten sie sich eine Weltrekord-Inflation von schätzungsweise tausend Prozent in zehn Minuten ausgedacht. Einen Schubkarren müsste ich besorgen, um die Rupien-Bündel bei den

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