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Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs

Titel: Sucht nach Leben - Geschichten von unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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ist es Brauch. Bald redeten wir, Gedanken gingen hin und her und umgehend brach das Glück aus. Weil keine gackernde »Hostess« müde machte, sondern eine Frau mit Esprit von Japan und japanischen Gedanken erzählte. »Ça fait beau aux yeux«, sagen die Franzosen, das tut den Augen gut: wenn man mitansehen durfte, wie Kazuki da war, da saß, ihre Hände bewegte und den eleganten Hals ins rechte Licht rückte.
    Irgendwann spielte die Geisha auf der dreisaitigen Shamisen. Sie sang das Lied von einem eifersüchtigen Danna, der nicht aushielt, dass seine Geisha-Freundin jeden Abend mit einem anderen Mann zusammen war. Natürlich blickte mich Kazuki dabei eine halbe Sekunde zu lange an. Aber das war Business. Je dezenter solche Signale den Kunden erreichten, umso eher entstand in ihm die Illusion, dass vielleicht doch – nicht heute, nicht morgen, aber kurz danach – der begehrenswerte Mensch seinen kimonoverschnürten Körper auspacken und Zutritt gewähren würde. Diese Illusion lässt ihn wiederkommen.
    Ich kam nicht wieder. Als ich Kazuki traf, hatte ich bereits ein Alter erreicht, in dem man begriffen haben sollte, dass von etwas träumen – bisweilen – bereichernder sein kann, als den Traum zu zerstören. Weil er wohl nicht hielt, was er versprach. Von anderen Kollateralschäden ganz zu schweigen. Denn ruiniert wäre, zuallererst, mein Bankkonto. Erst als Export-Chef bei Sony würde ich über genügend Geldsäcke verfügen, um Kazuki den Hof machen und sie – vielleicht – davon überzeugen zu können, dass ich der passende Gönner sei.
    Wir verabschiedeten uns. Nach der letzten Verbeugung würde mich die Schöne vergessen. Und ich würde von ihr phantasieren. Wer das konnte, der hatte es leicht. Verspielt wie eine Blume winkte mir die Geisha hinterher, als ich im Taxi saß. Verdammt, so winken können. Mein Blick fiel auf den feisten Nacken des Fahrers. Plötzlich Zweifel, ob – bisweilen – handeln nicht mehr Leben verspräche als träumen. Oh, Kazuki.

    DOKTOR SEX
    Ich will alles gestehen. Ich war nicht nur bei »Sex-Specialist« Doktor Singh, ich war gleich bei drei Spezialisten. Und wie jeder Mann, der mit dem Schlimmsten rechnen muss, war ich zögerlich. Wer geht schon als Fremder zu einem anderen Fremden, um sich halbnackt vor ihn hinzustellen und seine geheimsten Niederlagen zu beichten. Und wäre es nur aus Freude am Spiel, aus Neugierde auf alles, was an Abrakadabra und Simsalabim möglich ist.
    Als Hintergrundinformation sollte noch erwähnt werden, dass alle indischen Männer – okay, eine Million von den fünfhundert Millionen vielleicht nicht – verrückt nach Sex sind. Weil so wenig davon stattfindet. Weil sie in einem grandios scheinheiligen Land leben. Der bigotte Islam und der korsett-frigide Viktorianismus, sie beide knebelten über Jahrhunderte den einst sinnlichen Hinduismus.
    »Aids wird nicht nach Indien kommen«, verlautbarte vor Jahren ein Innenminister, »weil es in Indien keinen Sex gibt.« Das ist pyramidal übertrieben und auf bestimmte Weise wunderlich wahr. Welcher Indienreisende kennt nicht die imposanten Filmplakate an jeder zweiten Kreuzung, die – ein Beispiel von Tausenden – eine Bollywood-Sexbombe zeigen, die lüstern an ihrer Bluse nestelt, während zehn Meter davon entfernt die 499 Millionen mit brennenden Augen vorbeiziehen und von nichts anderem träumen, als der Lüsternen beim Nesteln behilflich zu sein.
    Auch wenn es nie so weit kommen wird, sich nie der Vamp aus Mumbai aufs Strohlager eines armen Bäuerleins in Rajastan verirrt: Die hiesigen Männer wollen vorbereitet sein. Allein in Old Delhi bin ich an vierzig »Cabinets« vorbeigekommen, die von »Consult for early discharge!« bis »Be a great lover!« Hilfe in Notzeiten anbieten (sagen wir, vorgeben, Hilfe anzubieten). Nicht zu vergessen die fliegenden Händler, die am Straßenrand stehen und per Hand und Bratpfanne Eidechsen-Innereien und Skorpionblut brutzeln, dabei lautstark von den fulminanten Wirkungen ihrer per Garküche gepfuschten Aphrodisiaka schwärmen.
    Aber erst Arechya hat mir die Scheu genommen, ein blinder Astrologe. Er fingerte über meine rechte Handfläche und verkündete, dass ich neunundachtzig würde, mir alles im Handumdrehen gelänge, sprich, »fame and glory«, Geldsäcke zuhauf und »pure happiness«. Bis der Phantast alles zerstörte und mit einer Hochzeit im nächsten Jahr drohte. Mit »beautiful rich woman«, okay, noch mehr Geldsäcken, plus »total issue« – das wäre

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