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Süden und das grüne Haar des Todes

Süden und das grüne Haar des Todes

Titel: Süden und das grüne Haar des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gemeldet. Manchmal hatte er mir bis zum Ende zugehört, und ich hatte nicht begriffen, dass er nur nett oder höflich sein wollte. Mit Martin Heuer über Dinge wie Gesundheit und Krankheit und die alltäglichen Sorgen eines vor sich hin alternden Mannes zu sprechen hieß Selbstgespräche zu führen, und zwar in einem schallisolierten Raum.
    »Thon ist einverstanden«, sagte ich. »Du hast von heute an Urlaub. Und wenn du im Büro auftauchst, erschieße ich dich.«
    Die Bemerkung war mir nur so herausgerutscht. Vielleicht, weil die Vorstellung, ein fünftes Bier zu trinken, in meinem Hirn Blödigkeit verursachte. Vielleicht, weil die Erinnerung an unsere Kindheit, die ganz kurz in mir aufloderte, mich einen kindischen Augenblick lang ablenkte.
    Und Martin meinte nach einem tiefen Zug an seiner Salemohne und mit gleichgültigem Blick auf den verstummten Apokalyptiker in der Nische: »Das besorg ich notfalls schon selber. Trinken wir noch eins?«
    Ach, Martin.
    Wir tranken noch drei. Und mit einem Mal wirkte er neugierig, beinah munter, und er frühstückte ein weiteres schwarzes Getränk.
    »Und den Mann konnte er nicht beschreiben?«, sagte Martin und rauchte und beugte sich über den Tisch, damit ich nicht laut sprechen musste .
    »Sehr schlecht jedenfalls«, sagte ich.
    »Sie haben ihn doch gesehen«, sagte ich. »Wie groß war er denn?«
    »Weiß nicht.«
    »Größer als ich?«
    »Weiß nicht. Ja. Oder?« Er grinste unter seinem fransigen Schnurrbart und zeigte auf das Bett. Was er damit ausdrücken wollte, war mir nicht klar .
    In der Pension roch es nach gekochtem Fleisch und Gewürzen. Aus einem Radio erklang türkische Musik. Auf den Fluren lagen abgetretene Teppiche in Rot- und Blautönen. Die Wände zierten gerahmte Schwarzweißbilder mit – soweit ich das im Licht der Funzel, die in jedem der zwei Stockwerke von der Decke hing, erkennen konnte – Ansichten arabischer Landschaften .
    »Herr Söruk«, sagte ich. »Sie sind ein Zeuge, Sie müssen mir antworten.«
    »Die Frau hat bezahlt«, sagte Ibrahim Söruk. »Die Frau hat gewartet, unten in Frühstücksraum, Sie haben gesehen, habe Ihnen Platz gezeigt, hat gewartet und Tee getrunken. Dann ist Mann gekommen, die Frau ist mit ihm nach oben gegangen, Zimmer vierzehn, diese Zimmer . Sie sehen, schöne Zimmer. Oder?«
    »Ja«, sagte ich.
    Links an der Wand befand sich ein Doppelbett mit einer schweren dunkelroten Decke, daneben standen zwei Nachtkästchen in hellem Holz, an der rechten Wand ein viereckiger Holztisch mit einer weißen Decke und einem kleinen Plastikblumentopf mit Vergissmeinnicht darauf .
    Drei Stühle, einer davon ein Korbsessel, und ein Schrank bildeten den armseligen Rest der Einrichtung. Hinter der Tür entdeckte ich ein Waschbecken und einen Spiegel .
    Als wir das Zimmer betraten, hatte Sonja gesagt: »Keine Dusche? Keine eigene Toilette?«
    »Gleich hier rechts!« Söruk hatte auf eine Flurtür gezeigt, direkt neben dem Zimmer. Auf einem grauen Schild stand: Privat. »Alles sauber, jedes Zimmer frisch. Gäste kommen immer gern, alte Gäste auch, noch von vorher, von Frau Griesmayr.«
    Von der ehemaligen Pächterin hatte Söruk den Namen der Pension in der Tulbeckstraße übernommen: »Pension Ida«. Für Sonja Feyerabend waren solche Unterkünfte eine Bestrafung, eher hätte sie unter der Reichenbachbrücke übernachtet.
    Nach den Angaben des Türken hatte Babette Halmar das Zimmer vom vierundzwanzigsten bis zum sechsundzwanzigsten März gemietet, ihr Begleiter aber verließ das Haus bereits am Sonntag, dem fünfundzwanzigsten .
    »Schwöre«, sagte Söruk. »Mann nur eine Nacht. Bitte, Frau hat bezahlt, sehr angenehme Person, erklärt, sie trifft Schulfreund, Freund von früher, lange nicht gesehen, ist vertraulich alles, sagt die Frau. Mann verheiratet, sie auch verheiratet, niemand darf wissen. Ich sage, Sie sind ehrenwerte Dame, ich kenne die Gäste, viele Gäste erlebt, diese Frau kein Problem. Sie bezahlt, gibt Trinkgeld, fünfzig Euro extra! Ich sage, ich bitte Sie, Sie bezahlen einhundertzwanzig Euro für zwei Nächte, das ist normaler Preis. Aber sie gibt fünfzig extra. Ich wollte nicht, sie hat Geld nicht zurückgenommen. Sie sagt, geheim, ich darf niemand erzählen. Jetzt erzähle ich, weil Sie Polizei sind und ich helfen will. Aber sonst habe ich niemand erzählt, kein Wort, nicht mal meiner Frau, die arbeitet in Küche, kocht, macht Frühstück, gutes Frühstück, wenn Sie wollen, sie macht, ist erst ein Uhr, kein Problem,

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