Süden und der glückliche Winkel
nachdem ich ihr meinen Dienstausweis gezeigt hatte, fragte, ob wir schon wüssten, was mit ihrem Kollegen Korbinian passiert sei, trug ein Namensschild an der Bluse und machte im Gegensatz zu ihren beiden hektisch agierenden und genervt dreinschauenden Kollegen einen fast entspannten Eindruck.
»Es gibt wenig Neues«, sagte ich. »Kennen Sie ihn näher, Frau Schäfer?«
»Er hat mir sehr geholfen, als ich hier angefangen hab, aber private Dinge haben wir nicht ausgetauscht.«
»Er geht gern in Ausstellungen«, sagte ich.
»Wirklich?«, sagte Diana Schäfer. »Hätt ich nicht gedacht.«
»Warum nicht?«
»Weil er nie was erzählt, manchmal erwähnt er seine Frau, oder wenn er mit ihr bei Herrn Horch zum Essen war, dann hat er am nächsten Tag eine Bemerkung gemacht, nicht zu mir, ich hab sie nur zufällig aufgeschnappt. In was für Ausstellungen denn?«
»Spitzweg zum Beispiel.«
»Der mit dem ›Armen Poeten‹?«
»Ja«, sagte ich.
»Dauerts noch lang?«, fragte eine Frau in der Schlange, und ich wusste sofort, dass ich gemeint war. Ich drehte mich um.
»Vielleicht«, sagte ich und wandte mich wieder an Diana Schäfer. »Hat ihn mal eine junge Frau um die zwanzig hier besucht?«
»Das kann ich wirklich nicht sagen, wir haben so viele Kunden jeden Tag.«
»Blonde längere Haare, nicht direkt schlank…« Diese Formulierung hatte Gerlinde Falter benutzt, als ich sie bei der Verabschiedung um eine Beschreibung von Korbinians Begleiterin gebeten hatte. Allerdings waren ihre Angaben extrem vage. »Sie soll eine Halskette mit einem blauen Stein tragen.«
»So wie Sie!«
»Vielleicht.«
»Kenn ich nicht«, sagte Diana Schäfer.
In einem Adressbuch suchte sie mir Horchs Privatnummer heraus. Ich ging an der immer noch langen Warteschlange vorbei zu den Telefonapparaten außerhalb des Gebäudes.
»Die Post, die braucht mal eine saubere Konkurrenz«, sagte ein Mann in der Reihe. »Dann würden wir hier nicht so blöd rumstehen.«
Ich war mir sicher, er würde spätestens in fünf Minuten ebenso blöd drankommen, wie er rumgestanden hatte.
Auf der Wiese zwischen lang gezogenen, zweistöckigen Wohnblocks saß sie in einem Liegestuhl und hielt sich, als ich näher kam, wie von der Sonne geblendet, die Hand an die Stirn. In einem weißen Plastikständer steckte ein roter Sonnenschirm, dessen Spannweite ungefähr zwei Meter betrug. Nachdem niemand die Wohnungstür geöffnet hatte, wollte ich die Frau fragen, ob sie das Ehepaar Horch kenne.
»Ich bin Frau Horch«, sagte sie. Ich stellte mich vor.
»Mein Mann ist nicht da«, sagte sie und lehnte sich zurück.
Sie trug einen grünen Badeanzug, der sie, wie ich fand, nicht gerade verschlankte.
»Kennen Sie Cölestin Korbinian?«, sagte ich. Die Sonne schien derart heiß auf mich herunter, dass ich hätte meinen können, ich wäre ihr einziges Lustobjekt.
»Wir laden sie manchmal zum Essen ein. Ist Ihnen nicht heiß?«
»Doch«, sagte ich. »Mit ›sie‹ meinen sie das Ehepaar Korbinian.«
»Ja. Kommt aber nicht so oft vor.« Unter dem Sonnenschirm stand eine Kühltasche. Silvana Horch nahm eine Flasche Wasser heraus und trank. »Hier ist noch eine Dose Cola, mögen Sie die?«
»Eher nicht«, sagte ich. »Gehen Sie auch manchmal zum Essen zu den Korbinians?«
»Wir waren zwei oder dreimal dort, aber ich hatte den Eindruck, sie laden uns nur aus Pflichtgefühl ein. Cölestin hat kaum was geredet, es war ihm, glaub ich, nicht recht, dass wir da waren. Er ist schon ein Eigenbrötler.«
Sie schraubte die Flasche zu und stellte sie zurück in die Tasche.
»Was war Ihr erster Gedanke, als Sie gehört haben, dass er verschwunden ist, Frau Horch?«
»Dass er bei einer anderen Frau ist«, sagte sie.
»Trauen Sie ihm das zu?«
»Das trau ich jedem Mann zu.«
»Ihrem eigenen auch?«, sagte ich.
»Sprechen wir jetzt über meinen Mann?«
»Nein«, sagte ich. Ich empfand ein merkwürdiges Stechen am Gaumen, vielleicht hatten die Sonnenstrahlen bereits ein Loch in meinen Kopf gebrannt und drangen nun tief ins Innere vor.
»Wo ist er im Moment?«
»Beim Tischtennis.«
»Bei dieser Hitze?«
»Er besucht einen Freund, der hat in seinem Keller eine Platte stehen, da unten ist es kühl, ich hab auch schon mitgespielt.«
»Heute aber nicht«, sagte ich.
»Nein«, sagte Silvana Horch und kratzte sich an den Beinen, wo sie einen leichten Sonnenbrand hatte. »Unsere Tochter wollte kommen, deswegen bin ich dageblieben.
Vorhin hat sie angerufen und gesagt, sie muss
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