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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sie hat Herrn Toulouse betreut, er ist ihr Kunde, ich bin nur noch selten im Haus, das Immobiliengeschäft läuft fast ganz über mich inzwischen, ich mach das von meinem eigenen Büro aus. Gelegentlich vermittle ich auch Objekte, die nicht von der Bank kommen, die direkt an mich herangetragen werden.«
    »Ihre Bank erlaubt das?«, sagte ich.
    Vielleicht hatte er sich dieses Lächeln patentieren lassen, es passte zu jeder Gelegenheit, und gewiss gab es Leute, nicht nur in seiner Branche, die es sich gegen gutes Geld ausgeliehen hätten, und er hätte es ihnen für gute Zinsen zur Verfügung gestellt.
    »Meine Bank erlaubt das«, sagte er mit hochgezogenen Schultern, wodurch er seine geduckte Haltung auch im Sitzen beibehielt.
    »Aber Sie bieten dann einen Kredit Ihrer Bank an, der wesentlich günstiger ist als der, den Ihre Kunden bei ihrer eigenen Bank bekommen.«
    »Das darf ich nicht«, sagte Hollender. Ich schwieg.
    Im Nebenzimmer hörte ich das Brummen des Druckers, Erika war mit der Abschrift fertig.
    »Das wäre gegen die Bestimmungen.« Hollender hob für einen Moment den Zeigefinger. »Selbstverständlich frage ich den Käufer, welche Konditionen ihm seine Hausbank einräumt. Die Entscheidung liegt bei ihm. Wenn er mich nach einem Angebot fragt, mache ihm eins, das ist eine offene Sache, die Dinge klären sich im Gespräch, ich dränge mich nicht auf. Die Käufer, mit denen ich es zu tun habe, wissen, was sie wollen, sie kennen ihre Verhältnisse, sie lassen sich nicht über den Tisch ziehen. Das ist nicht meine Absicht, das wäre das Verkehrteste.«
    »Kommt es oft vor«, sagte ich, »dass einer Ihrer Käufer nicht in letzter Minute vor dem Kauf noch zu Ihrer Bank wechselt?«
    Er sah mich an, als überfordere ihn die Frage. Nach einem langen Zögern sagte er: »Darauf möcht ich nicht antworten. Herr Toulouse war definitiv schon vorher Kunde unserer Bank, seine Mutter übrigens auch, wenn ich mich nicht täusche.«
    »Wieso hat er ausgerechnet ein Haus in der Lerchenau gekauft?«, sagte ich.
    »Gute Gegend. Schnäppchen.« Wieder vertrieb dieses Lächeln die Trostlosigkeit aus meinem Büro, und ich war mir sicher, wenn er dazu fähig gewesen wäre, dann hätte der rachitische Hibiskus auf dem Fensterbrett zurückgelächelt.
    »Wohnte er schon in der Gegend?«, sagte ich.
    »Er hatte ein Appartement im Olympiadorf, das ist um die Ecke. Sie brauchen nur über den Ring rüber und schon sind Sie in der Lerchenau und dann auf der Lerchenauer immer gradeaus und zack, stehen Sie vor unserer Filiale.«
    Ich sagte: »Ich war heute schon dort. Wenn jemand im Olympiadorf wohnt, warum eröffnet er dann ein Konto in einer Bankfiliale in der Lerchenau?«
    »Fragen Sie Frau Viellieber, die könnt das wissen.«
    »Guten Abend«, sagte Martin Heuer, der in der Tür aufgetaucht war. Seine Knollennase war gerötet, und die Haare klebten ihm wie zu einem Nest geformt auf dem Kopf. Er hatte den Reißverschluss seiner Daunenjacke bis zum Hals zugezogen und wirkte, als würde er frieren, ein Anblick, den ich gewohnt war und doch jedes Mal kaum ertrug.
    »Und?«, sagte Martin, nachdem mir der Makler seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und das Büro verlassen hatte. »Ziehst du demnächst um?«
    »Niemals«, sagte ich.
    Auf der Suche nach einem Mann, die ohne Martin Heuers professionelles Gespür und Drängen nicht begonnen hätte, öffneten wir innerhalb weniger Stunden Tür um Tür und stießen auf immer neue Personen, die in meiner Vorstellung den Raum um den Vermissten nur noch vergrößerten. Außerdem war zu diesem ein Bruder hinzugekommen, der nach allem, was wir herausgefunden hatten – und wenn wir die Notizen richtig interpretierten, die, verteilt auf ungefähr zehn Din-A4-Seiten, vor uns auf dem langen Tisch lagen –, viel eher einen Fall darstellte und Anlass zu großer Sorge bot. Jeder für sich hatten Martin und ich die Protokolle zwei weitere Male gründlich gelesen, kurz darauf stieß Sonja zu uns, die die Berichte ebenfalls durchsah, und keiner von uns dreien zweifelte daran, dass die vernommenen Zeugen glaubwürdig waren. Aus der Geschichte eines Mannes, der nach München gereist war, um die Stadt als deutscher Meister im Luftgitarrespielen wieder zu verlassen, war die Geschichte eines Mannes geworden, der von München aus aufbrechen wollte, um als Fußballspieler die Welt zu beeindrucken. Und nun sah es so aus, als habe ihr Traum beide aus der Wirklichkeit gelockt und ihre Spuren vollständig verwischt,

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