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Süden und der Straßenbahntrinker

Süden und der Straßenbahntrinker

Titel: Süden und der Straßenbahntrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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hatten, dass er zurückkommt.
    Der Grund, warum ich hier war, auf der Rückbank von Esthers Auto, frei von dienstlichen Verpflichtungen und doch mitten in einer Suche, war Holzapfels Entscheidung gewesen, seine Kleider zu wechseln und sie auf dem Bett einer ehemaligen Geliebten liegen zu lassen.
    Ich wollte, dass dieser Mann seine Sachen wieder anzog. Ich wollte, dass er nicht in fremder Kleidung herumlief. Ich wollte ihn finden, um mich zu vergewissern, dass er in der Gegenwart angelangt und erwünscht war.
    Wie wenig es ihm selbst gerade darum ging, merkte ich erst spät, am Ende meiner fanatischen Suche. Mir aber kam der Weg dorthin wie ein Überlebenstraining in einer von Finsternis überfluteten Landschaft vor. Im Nachhinein bewunderte ich meinen Mut.
    »Woran denken Sie?«, fragte Esther Kolb.
    »Der Ohrring«, sagte ich, »ist der ein Geschenk von Ihnen?«
    »Er trug ihn schon, als wir uns kennen lernten«, sagte sie.
    »Seine Frau hat ihm den Ring geschenkt, glaube ich.«
    »Als Sie ein Verhältnis mit ihm hatten, war er noch verheiratet.«
    »Hab ich doch gesagt. Er wohnte mit ihr in dem Hochhaus.«
    »In einem Einzimmerappartement?«
    »Was?«
    »Sie waren nie dort?«
    »Haben Sie Alzheimer? Ich war nicht dort!«, sagte sie.
    »Was für ein Einzimmerappartement?«
    »Wusste seine Frau davon?«, fragte ich.
    Sie sah in den Rückspiegel, lächelte kurz und konzentrierte sich wieder auf den Stau, der sich in der Brudermühlstraße gebildet hatte.
    »Kennen Sie eine Frau namens Inge Hrubesch?«
    Esther stellte das Radio leiser, in dem ständig neue Berichte über bewaffnete Auseinandersetzungen im Nahen Osten kamen.
    »Ich hab von ihr gehört«, sagte sie.
    »Kennen Sie sie?«
    »Nein.«
    Auch im Trappentreu-Tunnel standen die Fahrzeuge und ich legte mich flach auf die Rückbank. Esther drehte sich zu mir um.
    »Müde?«, fragte sie.
    »Im Gegenteil.«
    Sie wandte sich wieder nach vorn. Es kam mir vor, als würde die Luft in dem Saab schwer auf mir lasten und dabei immer weniger werden. Ich fing an zu schwitzen. Knöpfte mir das Hemd auf und summte vor mich hin. Wir kamen zehn Meter vorwärts.
    »Jerry hatte immer Freundinnen in seiner Ehe«, sagte Esther. »Er hat mit zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig geheiratet, glaube ich. Clarissa. Seitdem waren sie zusammen. Und sie kannten sich auch schon vorher. Kein Mensch kann so lange treu sein. Haben Sie mit Clarissa gesprochen?«
    Ich lag auf dem Rücken, die Arme an den Körper gepresst, das Hemd bis zum Nabel geöffnet, die Augen fest geschlossen. Was nichts nützte. Mein Herz trommelte und die Stimmen aus dem Radio, so leise sie waren, klangen bedrohlich. Ich atmete mit weit aufgerissenem Mund.
    »Wir haben es gleich geschafft«, sagte Esther.
    Ich wollte sagen: Ich ersticke. Brachte aber kein Wort heraus. Meine Stimme war schon zerbröselt und der Rest meines Körpers zerfiel langsam.
    Plötzlich riss Esther das Lenkrad herum, drängte den Wagen neben uns auf die rechte Spur, überholte hupend einen Motorradfahrer und raste in die Ausfahrt Richtung Sendling. Ich richtete mich auf und sah, wie sie mehrere Autos beinahe an die Wand drückte. Die Fahrer waren so erschrocken, dass sie tatsächlich Platz machten, wie für einen Notarztwagen.
    Endlich wieder im Tageslicht, setzte ich mich aufrecht hin.
    »Soll ich das Fenster öffnen?«, fragte Esther.
    »Unbedingt.«
    Dann hielt sie am Straßenrand an. »Wollen Sie aussteigen?«
    »Ja.«
    Draußen legte ich den Kopf in den Nacken und streckte die Arme in die Höhe. Wolken zogen vorüber. Ein kühler Wind wehte, die Sonne brannte nicht mehr.
    Esther lehnte an der offenen Wagentür. Als ich den Kopf senkte, sah sie mich an, wie sie es schon öfter getan hatte.
    Ich sagte: »Ich muss ganz von vorn anfangen.«
    »Soll ich sie hinbringen?«, fragte sie.
    Für einen Moment dachte ich, sie wisse wirklich, was ich meinte.
    »Nein«, sagte ich. »Ich finde allein hin.«
    Esther sagte: »Ich arbeite bis eins, dann räum ich bis halb zwei auf. Erinnern Sie sich noch an die Adresse?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Vielleicht möchten Sie später noch ein Bier trinken.«
    »Möglich«, sagte ich.
    Bevor ich endlich mein Hemd zuknöpfte, küsste sie mich auf den Mund, worüber ich erschrak. Das gefiel ihr.
    »Viel Glück!«, sagte sie.
    Ich wartete, bis sie weggefahren war, dann machte ich mich auf den Weg…
    … zu einer weiteren Frau, die mich nicht empfangen, nicht mit mir sprechen, mich für einen Verrückten halten würde.
    Und

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