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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Trinkfläschchen im Mund. Plötzlich stolpert sie und fällt der Länge nach hin, beide Hände und die Stirn schlagen auf dem Boden auf. Augenblicklich setzt ein Sirenengeheul ein. Shepard springt auf und hebt sie auf. Er streicht ihr die Haare aus dem Gesicht, greift nach einer Papierserviette und tupft die Blutströpfchen ab, die sich auf ihrer Stirn bilden. Die Kleine schreit und weint. Er legt das Gesicht an ihren kleinen Hals und atmet die Geruchsmischung aus Creme und Haut ein. Er wiegt sie sacht in den Armen.
    Die Mutter ist herbeigeeilt. Sie sieht nicht nur ihre Tochter, sondern auch den Mann weinen. Langsam, fast widerstrebend lässt Shepard das Mädchen los. Die Mutter trägt die Tochter davon, und Shepard kehrt an den Tisch zurück. Wendy ist mit ihrer Lektüre fertig. Sie schlürft den Rest Flüssigkeit aus ihrem Becher, was ein eigenartig lautes Geräusch erzeugt, sammelt ihre Unterlagen ein und sagt: »Fahren wir?«
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    Wieder folgen sie der langen schnurgeraden Straße nach Westen. Die Stirn an die Fensterscheibe gelehnt, atmet Peter Wendys Parfum ein. Seit der Raststätte brennt ihm die Erinnerung an Barbara und die Zwillinge in der Kehle wie verschluckte Tränen. Wendy spürt es. Sie setzt den Blinker und biegt in eine schmale, von Linden gesäumte Nebenstraße ein, die zum Parkplatz eines Motels führt.
    »Wo willst du hin?«
    Wendy stellt den Motor ab und verschwindet eine Weile in der Rezeption. Mit einem Schlüssel kommt sie zurück. Sie öffnet die Beifahrertür und nimmt Peter bei der Hand, führt ihn zu einem hübschen hellen Bungalow. Sie schließt die Tür hinter ihnen, dann nimmt sie Peter in die Arme. Ihre Lippen suchen die seinen. Peter erstarrt und wendet sich ab. Wendy hält mit beiden Händen sein Gesicht fest. »Sie ist tot, Peter«, murmelt sie. »Du musst sie gehen lassen.«
    Sie nimmt ihm die dunkle Brille ab und küsst seine Lider. Sie fährt ihm mit der Hand durchs Haar. Er lässt sich von ihr ausziehen. Lässt sich aufs Bett legen. Wendys Hand führt ihn in sich ein. Sie beugt sich über ihn. Sie atmet an seinem Hals, ihr Atem geht schneller. Peter streichelt ihre Brüste und dringt tiefer in sie ein. Sie kommt. Sie bleibt auf ihm liegen. Sie bewegt sich noch eine Weile sacht auf ihm. Sie bläst gegen die Haarsträhne, die ihr ins Gesicht fällt. Er hört auf zu zittern. Er schläft ein.
    Wendy sitzt auf der kleinen Terrasse vor dem Bungalow. Ein Sonnenstrahl lässt ihr Gesicht leuchten. Sie raucht und blättert dabei in einer Zeitschrift. Vor ihr steht ein Tablett mit Toast, Pancakes, einer Kanne Kaffee, einem Kännchen Ahornsirup. Shepard stellt sich unter die Dusche und zieht sich an. Er zwingt sich, an Barbara zu denken. Der Schmerz hat ein wenig nachgelassen. Er setzt sich Wendy gegenüber. Sie hat die drei verschlossenen Umschläge auf den Tisch gelegt. Auf dem obersten steht ein Name, mit Leuchtmarker nachgezogen, Collie Partridge.
    »Mach du«, sagt er. »Ich mach den nächsten auf.«
    Wendy reißt den Umschlag auf. Darin findet sie, übersichtlich auf zwei Blättern dargestellt, Collies weiteres Leben, dazu einige Fotos, die bei Antritt einer Gefängnisstrafe gemacht wurden. Wendy liest und fasst gleichzeitig zusammen.
    »Nach Redemption ist er in einen Vorort von Baltimore gezogen. Hat diverse Minijobs gemacht und gleichzeitig Abendkurse besucht. Dann Heirat und Anstellung als Autohändler in der Firma seines Schwiegervaters. Drei Kinder. Nach der Geburt des jüngsten wurde er depressiv. Und gewalttätig. Begann, seine Frau zu schlagen, und saß ein halbes Jahr im Knast. Sie sind geschieden.«
    Wendy nimmt sich das nächste Blatt vor.
    »Nach der Entlassung aus dem Gefängnis ging er nach Norden. Portland und die Küste von Maine. Weitere Minijobs, Antidepressiva, schließlich kam er auch noch auf Drogen. Um seinen Konsum zu finanzieren, überfiel er Tankstellen. Weitere Gefängnisstrafen. Ein ganzes Paket Entziehungskuren und mehrere Selbstmordversuche. Zum letzten Mal wurde er vor fünf Jahren auf einer Autobahnraststätte aufgegriffen, wo er einen Van mit einer urlaubenden Familie überfiel. Genauer gesagt, die Eltern. Beim polizeilichen Verhör weigerte er sich, seine Tat zu erklären.«
    Als Wendy zum Ende kommt, zwinkert sie immer häufiger. Sie legt die Blätter aus der Hand.
    »Was?«
    »Collie hat Aids im Endstadium. Er liegt in einem HIV -Hospiz am Ortsrand von Forsyth.«
92
    In warmem Sprühregen überqueren Peter und Wendy die Grenze nach Pennsylvania. Von

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