Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case

Titel: Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
Vom Netzwerk:
Jungen das Hirn weggepustet«, berichtete ich. » Ich an Ihrer Stelle würde Georgina Hottinger sagen, sie soll die traurige Nachricht überbringen. Es macht ihr ja offenbar Spaß, Polizei mit Blaulicht zu spielen. Ich würde ihr nicht vorenthalten wollen, ihre Rolle bis zum Ende durchzuziehen.«
    Auf dem Flur kamen uns Ramirez und Schultz mit fünfminütiger Verspätung entgegen.
    » Nehmt jeden unter die Lupe, den ihr in dieser Bruchbude findet«, wies ich sie an. » Besonders den Hausmeister. Sucht ihn und den Hausbesitzer. Der Entführer hat einige Zeit mit dem Jungen hier unten verbracht. Ich will wissen, warum niemand etwas davon bemerkt hat.«

13
    Als ich zurückkam, stand Emily über die Leiche gebeugt. Sie hatte sich die Jacke ausgezogen, die Ärmel ihrer Bluse hochgekrempelt und grüne OP-Handschuhe übergestreift. Wahrscheinlich hatte sie die in ihrer Handtasche mitgebracht. Ich war beeindruckt.
    » Die Spritzer auf dem Boden hier und die blassen Beine lassen darauf schließen, dass er auf dem Stuhl sitzend getötet wurde«, erklärte sie, ohne aufzublicken.
    Ich drückte vorsichtig mit dem Daumen in Jacobs Arm.
    » Sieht nach halb fortgeschrittener Leichenstarre aus«, stellte ich fest. » Ich würde sagen, er wurde irgendwann heute Morgen umgebracht. Die Handschelleneinschnitte an den Handgelenken und seine aufgescheuerten Knie deuten darauf hin, dass er vor dem Mord schwer in die Mangel genommen wurde. In Verbindung mit dem Frage-und-Antwort-Spiel beim ersten Anruf würde ich sagen, das sieht nach Lehrer-Schüler-Phantasie oder dergleichen aus.«
    » Ja«, stimmte Emily zu und wedelte eine Fliege fort. » Willkommen in Orwells Hölle 101 .«
    Ich betrachtete Jacobs Gesicht. Er hatte das dunkle Haar und den hellen Teint seiner Mutter und die blauen Augen seines Vaters geerbt. Diese Augen waren, ebenso wie sein Mund, für immer in Schock und Schrecken erstarrt. Auf der Stirn prangte ein Fleck, den ich vorher nicht bemerkt hatte, ein graues Zeichen wie ein kleines X.
    » Hey, Mike«, sagte Emily im selben Moment. Sie stand auf der anderen Seite des Kellerraums. » Ich glaube, das müssen Sie sich ansehen.«
    Ich trat zu ihr an die Tafel. Auf der Rückseite standen die Worte:
    MEMENTO HOMO, QUIA PULVIS ES,
    ET IN PULVEREM REVERTERIS.
    » Was ist das? Latein?«, fragte Emily.
    » Klar«, bestätigte ich. » Die bevorzugte Foltermethode an meiner katholischen Highschool. Memento bedeutet irgendwas mit ›erinnern‹. Pulvis ist ›Staub‹.«
    Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab, als mir die vollständige Bedeutung plötzlich klar wurde.
    » ›Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst‹«, rief ich. » Das sagen katholische Priester am Aschermittwoch, wenn sie den Gläubigen ein Aschekreuz auf die Stirn malen. Das ist es, was sich auf Jacobs Stirn befindet. Das heißt, er hat Jacob mit Asche gezeichnet?«
    Emily ließ ihre Gummihandschuhe laut schnalzen.
    » Moment mal! Genau! ›Lehr uns danach fragen und nichts danach fragen, hinsitzend in der Stille.‹ Das Gedicht heißt Aschermittwoch, von T. S. Eliot. Was bedeutet das? Wie passt das zur Entführung?«
    » Ich weiß nicht«, antwortete ich. » Aber ich denke, die Uhr hat erst angefangen zu ticken.«
    Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen.
    » In drei Tagen ist Aschermittwoch«, erklärte ich.

14
    Der Hausmeister war nirgends zu finden. Die Mieter, die dem Keller am nächsten wohnten, in einer Crack-Höhle im ersten Stock, hatten, was nicht verwunderte, nichts bemerkt.
    Ich war froh um den kalten Regen, als ich der heißen Grube entstieg. Ich brauchte etwas, um den Geruch des Todes aus meinen Kleidern und von meiner Haut zu waschen.
    Trotz unserer Versuche, die Sache geheim zu halten, erblickte ich hinter dem Absperrband auf der Briggs Avenue zusammen mit dem halben Dutzend Drogenhändlern den Polizeireporter von der Post. Sobald die Info an die Öffentlichkeit gelangte, würden sich Reporter und Produzenten auf die Briggs Avenue stürzen wie Haie auf einen Köder. Die Entführung und rituelle Ermordung eines Milliardärssohns war nicht einfach nur eine Nachricht, sondern der nächste neue Nachrichtenzyklus.
    Ich ging auf meinen Wagen zu, als ich das erste Nachrichtenfahrzeug erblickte. Medienstürme waren wie Wirbelstürme, hatte ich herausgefunden. Die einzige Möglichkeit, ihnen ernsthaft zu widerstehen, bestand in der sofortigen Evakuierung.
    Emily kam aus dem Eckladen, als ich den Wagen erreichte.

Weitere Kostenlose Bücher