Sünden der Faulheit, Die
Bericht auf.
Als sie wieder in ihrem VW -Bus saßen, zündete sich Franke eine HB an. Dann reichte er Schulz die Packung. »Furchtbar, wa?«
»Was is furchtbar?« fragte Schulz und warf seine Mütze auf die Ablage.
»Der Alte eben.«
»Is doch jeder selber schuld«, sagte Schulz mitleidlos.
»Du weißt ja Bescheid«, sagte Franke.
»Wo fährst du hin?« fragte Schulz, der nicht mehr über den Vorfall reden wollte.
»Zum Kanal zurück.«
»Und dann?«
»Abwarten, was passiert.«
»Mach doch, was du willst«, murmelte Schulz. Auch wenn er sich dagegen wehrte, mußte er wieder an seine Frau denken. Es fiel ihm einfach nicht mehr ein, warum er sie damals geheiratet hatte. Ist doch alles egal, dachte er schließlich. Er kniff die Augen zusammen, und das Licht der Neonreklamen »Hotel Exzelsior«, »Tagesspiegel«, »Galerie Schumann« brach sich bunt in den nassen Scheiben des Polizeiwagens.
Bernhard Lacan und Roland Hartmann stolperten aus der Domino-Bar. Lacan richtete sich auf und atmete tief durch. Sein Kreislauf war außer Rand und Band. Seine Beine, seine Arme und sein Rumpf machten, was sie wollten: Hinfallen, Wiederaufstehen, Seiltanzen auf der Bordsteinkante. Hartmann hatte die Arme in die Hüften gestemmt und pendelte rückwärts hin und her.
»Wo ist das Auto?«
»Da in der Parklücke!« schrie Lacan.
Hartmann preßte seine Hände vor die Schläfen.
»Rallye Monte Carlo!«
»Sonderprüfung: Schnee in den Seealpen!« Lacans Stimme überschlug sich. Hartmann verstand seine eigenen Worte nicht mehr. Der unruhige Motor des alten Opels rüttelte sie auf.
»Wohin?«
»Straight ahead!« grölte Hartmann.
Lacan versuchte, sich an den Mittelstreifen zu orientieren, sofern man sie unter dem Neuschnee erkennen konnte.
»Musica, musica«, gurgelte Roland und versuchte vergeblich, eine Kassette in den Recorder zu schieben. Er kurbelte das Fenster herunter und streckte den Kopf in den Fahrtwind.
»Ich fühle mich wie neugeboren«, sagte er dann.
Lacan war auf einer psychedelischen Achterbahn; alles bewegte sich zu schnell oder zu langsam, manchmal blieb ein Bild einfach stehen, und er mußte die Augenlider zusammenpressen, um den Anschluß an die Geschwindigkeit nicht zu verlieren.
Plötzlich schrie Hartmann: »Brems, man, bremsen!«
Lacan drückte das Pedal bis zum Anschlag, rutschend kam der Wagen zum Stand, halb zur Fahrtrichtung verdreht.
»Zurück!«
Lacan zögerte.
»Zurück, verstehste nicht?«
Lacan hatte Schwierigkeiten, den Kopf zu drehen und nach hinten zu sehen. Berlin schien von einem schweren Erdbeben heimgesucht zu werden. Ein Taxi hupte laut, als es in einem weiten Bogen überholte.
»Halt!« Hartmann riß die Türe auf. Er fiel hin, rappelte sich hoch und lief zu einem Haus.
»Mach das Schiebedach auf!« rief er vom ersten Stock eines Gerüsts nach unten. Lacan starrte in den Himmel. Blinzelnd erkannte er große schwere Wolken.
»Eh, du Sack, mach das Schiebedach auf!«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
Richtig, dachte Hartmann, kletterte ein Stück höher und rief Lacan zu:
»Mit einer dieser Steckleitern kommen wir nicht hin, wir brauchen mindestens zwei!«
Er zog eine Leiter aus ihrer Fassung und warf sie hinunter, wo sie in einem Sandhaufen steckenblieb und langsam zur Seite kippte.
»Steh nicht blöd rum, pack sie ins Auto!«
Schwindlig schob Lacan die Aluminiumleiter durchs Schiebedach. Kaum hatte er sie verstaut, kam auch schon die zweite. Hartmann hangelte sich wieder auf die Erde.
»Steig ein und gib Stoff«, sagte er und hielt die weit aus dem Dach ragenden Leitern fest.
Lacan fuhr los. Die kalte Luft hatte ihn erfrischt. Mit einiger Konzentration konnte er die Spur halten. Sie fuhren über die Straße des 17 . Juni, die breit den Tiergarten teilte. Vorsichtig lenkte Lacan den Wagen durch den Kreisverkehr zu Füßen der vergoldeten Siegessäule, die von großen Scheinwerfern angestrahlt wurde. Dann hielt er an. Er holte einen Flachmann aus dem Handschuhfach, trank einen Schluck und reichte Hartmann die Flasche.
»Das ist Diebstahl«, sagte Lacan.
Hartmann setzte die Flasche ab.
»Wenn schon, dann grober Unfug, und jetzt fahr weiter.«
»Wohin denn?«
Hartmann runzelte die Stirn.
»Zur Akademie, du Arsch, was haben wir denn besprochen?«
»Das ist doch nicht wahr!« Auch wenn Lacan im Rausch leichtsinnig war und bisweilen skrupellos, konnte er nicht glauben, was sein Freund da plante.
»Das ist doch nicht wirklich dein Ernst, Roland?«
»Seh ich
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