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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Hocker zu frühstücken.
    Im Radio auf der Anrichte lief ein politisches Magazin. Ein Wissenschaftler warnte vor dem Kollaps des Weltwährungssystems, im US -Senat wurde wieder um ein Embargo gestritten. Musik am Vormittag.
    Wilhelm Mertens zog sich an und bestellte ein Taxi.
     
    Ein grau verhangener Himmel drückte auf die Stadt. Die Streuwagen der Stadtreinigung zuckelten durch die Straßen, Schotter knirschte unter den Reifen. Mahmut, der Trödler, stieg aus einem verbeulten Chevrolet-Combi, der mit Werbung für sein Geschäft beklebt war, und schleppte ein Bündel Mäntel über den Gehweg. Als gläubiger Moslem war er nach Berlin gekommen, aber bald schon hatte er seine Religion, sein Studium und seine Zukunft als Wasserbauingenieur in Syrien hinter sich gelassen und auf dem Flohmarkt gearbeitet, bis er dann den Laden eröffnete.
    Er blickte über die Straße hoch zu Lacans Wohnung. Lacan hatte ihm neue Platten versprochen.
    Durch die Rippen der Jalousie wurde ein Gittermuster in den Raum projiziert. Lacan lag mit ausgestreckten Armen quer auf dem Bett. In dem Doppelfenster war eine dicke Fliege eingesperrt – weiß Gott, woher sie kam – und flog immer wieder brummend vor die Scheiben. Lacan hatte die Augen geschlossen, obwohl er wach war. Als er ein Lid kurz hob, schossen Blitze auf die Netzhaut. Die Fliege stürzte zum siebten Male ab. Vorsichtig drehte er sich um und richtete sich auf.
    Mahmut sortierte die Mäntel, und der Gemüsehändler nebenan stand hinter der Theke und malte sich aus, was er am Abend kochen würde. Seine Frau litt an Muskelschwund und lag in einem Pflegeheim, wo er sie sonntags auf eine Stunde besuchte. Sieberts Leidenschaften waren Kochen und Zinnfiguren und daß die Kunden, die anschreiben ließen, am Monatsende bezahlten.
    Wolkenbänke stapelten sich am Himmel, von Norden wanderte eine Schneefront über die Mark Brandenburg. Die ›Stimme der DDR ‹ meldete Verkehrsbehinderungen bei Potsdam, aber wer hörte schon die ›Stimme der DDR ‹? Lacan preßte eine Hand vor die Stirn. Ich muß aus dieser Stadt weg, dachte er, obwohl er sich noch nicht einge- stehen wollte, daß der Kampf zugunsten Berlins enden könnte.
    Im Frühjahr und Sommer war Berlin die schönste Stadt der Welt, mit tausend blühenden Bäumen in den Straßen, den Cafés, dem Lindenduft in der Nase. Im Winter dagegen war es außergewöhnlich schwer, nicht durchzudrehen.
    Lacan fühlte sich, als habe er mit alten Zeitungen bedeckt im Rinnstein gelegen, Nadeln stießen von innen gegen seine Stirn.
    Die Neonröhre im Flur brauchte zwei Pings, bis das Edelgas in ihr leuchtete. Er sah an sich hinunter, die Ränder seiner Hose waren mit Lehm und Erde verkrustet, und auf den schwarz-weißen Plastikfliesen lag ein kleines Bild in einem schnörkellosen Holzrahmen.
    Er ging ins Bad und steckte den Kopf unter den Wasserhahn. Er vermied es, in den Spiegel zu sehen. Das Bild lag immer noch im Flur. Ein kalter Schauer lief über Lacans Rücken. Behutsam hob er es auf. Es waren ›Die Gehörnten‹ des einsamen Malers Richard Oelze.
     
    Oberst Nikolai Koljatow rückte die roten Schulterstücke seiner Uniform zurecht. Er war zeit seines Lebens Soldat gewesen, und die Schulterstücke waren immer größer geworden, jetzt saß er in Berlin, wohin er eigentlich nie wollte.
    Oleg kam um 10  Uhr 30 . Während der Fahrt blätterte Koljatow in seinen Papieren. Er wurde in der Botschaft Unter den Linden erwartet.
    Der Transport des Materials über Österreich und Jugoslawien hatte sich bewährt, Koljatow würde dem Botschaftsrat vorschlagen, auch die Konstruktionspläne nicht mehr in Berlin zu übergeben. Jeder belauerte jeden hier.
    Kahle Birken standen links und rechts der Straße. Sie überholten eine MZ , auf der ein Paar engumschlungen ins Glück fuhr. Der Schal des Mädchens flatterte in der Luft. Als Oleg am Palast der Republik zu schnell in die Karl-Liebknecht-Straße bog, mußte er heftig bremsen, weil er einen Fußgänger übersehen hatte.
    Der junge Mann trug schulterlanges, in der Mitte gescheiteltes Haar und einen Parka der US -Armee. In seiner Umhängetasche war ein halbes Gramm Heroin, das ihm sein Cousin im Westen besorgt hatte. Er ging zu einem Abbruchhaus am Prenzlauer Berg, in dem er – von den Behörden geduldet – mit ein paar Bekannten hauste. Seine Freundin hatte in einer Apotheke Einwegspritzen gestohlen, der Cousin bei seinem letzten Besuch alles noch einmal erklärt: wie man in einem Löffel den Stoff und

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