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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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in der Küche Obst und in Fettpapier geschlagene Stullen in Raffaels Schultasche. Die Stimme im Radio kündigte Graupelniederschläge an und wünschte einen guten Tag.
    Sie brachte ihren Sohn zur Schule und fädelte ihren Fiat auf die Stadtautobahn. Der Motor des kleinen Wagens heulte auf, die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren; durch den nebligen Matsch blendeten entgegenkommende Lichter.
    Seit sie Lacan kannte, steckte der in irgendwelchen Schwierigkeiten, doch nun sorgte sie sich um ihn. Man müßte neu anfangen, dachte sie und lachte halblaut über solchen Filmkitsch. Sie kannte auch nur einen glücklichen Menschen, und das war Leschek, der sich beizeiten für ein Leben entschieden hatte. An ihm schien alles abzugleiten.
    Irene drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag. Der Lärm aus den Boxen übertönte die Geräusche der klapprigen Karosserie.
     
    Der invalide Wärter des Parkhauses tippte mit zwei Fingern an seine graue Schirmmütze, als er die Schranke öffnete und nacheinander Leschek und Irene passieren ließ. Auf dem Weg zum Aufzug fragte Leschek:
    »Hast du was von Lacan gehört?«
    Irene sah ihn erstaunt an.
    »Wieso ich?«
    »Ich dachte nur. Ihr kennt euch doch.«
    »Du kennst ihn doch auch«, sagte sie schnippisch.
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Mir geht’s gut.«
    »Ist ja bestens.« Leschek lächelte sie an. »Wenn du ihn siehst – ich bekomme noch was von ihm. Bis zum Wochenende!«
    »Er wird sich schon bei dir melden!«
    »Ich hoffe.«
    Über der Aufzugtüre sprang ein roter Punkt von Stockwerk zu Stockwerk. Die langen Gänge des Funkhauses waren noch leer. Bevor Leschek in sein Büro trat, reichte er Irene einen Schnellhefter.
    »Könntest du mir ein paar Briefe tippen?«
    »Nichts lieber als das!«
    Manchmal hätte Leschek Irene gerne in den Arm genommen.
    Thomas Flegel saß mit glasigen Augen in einem Sessel.
    »Königin der Nacht«, sagte er mit schwerer Zunge, als Irene an ihm vorbei zur Kaffeemaschine ging.
    »Fick dich«, sagte sie leise, und Flegel sank zusammen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und träumte. Die Kaffeemaschine klickte monoton, vor den Fenstern erwachte die Stadt. Der Bürobote brachte Post. Ehe er das Zimmer verließ, streckte er Flegel die Zunge heraus und schob mit zwei Fingern die Nase hoch. Irene lachte.
     
    Aus Westhovs Zimmer sah man in den Hof der Kriminaldirektion. Ein vergitterter Mannschaftswagen stand da, ein junger Verdächtiger wurde von Uniformierten an einer Knebelkette zum Verhör gebracht, Tauben pickten in der Toreinfahrt von einem Margarinebrot, das ein Polizist an sie verfütterte.
    Westhov wartete auf die Ergebnisse der Spurensicherung, die ihm für neun Uhr einen Bericht versprochen hatte. Es war schon halb zehn, und er wurde langsam ungeduldig. Bei Licht besehen war Westhov ein Arschloch, doch wie bei vielen älteren Bullen hatte seine Haltung eine Indifferenz angenommen, die man als Gelassenheit auslegte, was gefährlich war.
    Die Tür ging auf. Westhov drehte sich geladen um, doch der Mann von der Spurensicherung sah in seinem gelben Pullunder so papageienhaft aus, daß Westhov seinen Ausbruch gleich vergaß. Er räusperte sich und bot dem anderen einen Stuhl an. Oben wölbte sich eine breite Krawatte aus dem gelben Unding und endete in einem Windsorknoten, der den Eindruck erweckte, sein Träger sei gerade vom Fensterkreuz geschnitten worden.
    »Eigentlich alles klar: Die sind mit den geklauten Leitern rein, haben das Bild abgenommen und sich wieder dünne gemacht. Wir haben Abdrücke von Fußspuren, Wagenspuren, zwei, drei Fingerprofile, mit denen wir nichts anfangen können, na ja …«
    »Ist das alles?«
    »Da gibt es noch was«, sagte der Papagei. »Die Schleifspuren!«
    Westhov beugte sich vor.
    »Was für Schleifspuren?«
    »Einer ist wohl die Leiter heruntergefallen. Mit dem Kopf zuerst, schätz’ ich.«
    »Wie bitte?«
    »Da waren doch so Schleifspuren, von der Wand des Gebäudes zu der Stelle, wo der Wagen stand, in den der andere ihn dann reingelegt hat.«
    »Der andere?«
    »Ist logisch! Wenn’s drei gewesen wären, hätten sie ihren Kumpel getragen.«
    »Ja, vollkommen.«
    »Und am Ende der Schleifspur, oder an ihrem Anfang, wie man will, an der Wand, war auch ein Abdruck im Matsch. Da klebten Haare an einem Pflasterstein und ein bißchen Blut.«
    »Und warum gerade auf den Kopf gefallen?«
    »Das Blut klebte an den Haaren. Der kann natürlich beim Fallen auch mit dem Kopf vor die Mauer geschlagen sein, aber

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