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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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gebracht.«
    Janusz bemühte sich um eine anteilnehmende Miene. Er hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Offenbar vertraute Tadeusz ihm und dachte vielleicht sogar, dieser Fremde könnte seinem vom rechten Wege abgekommenen jungen Freund helfen.
    »Als ich Pawel das letzte Mal sah« – Tadeusz wies auf Janusz –, »saß er genau auf diesem Stuhl. Das war vor etwa sechs Wochen, Mitte Februar. Ich erinnere mich noch, weil es der letzte Tag war, an dem wir richtig Schnee hatten. Und trotzdem hatte der verrückte Junge nichts als ein T-Shirt an.« Als er sich am Hemd zupfte, zeigten sich gleichzeitig Verzweiflung und Zuneigung in seinem Gesicht.
    Janusz schwieg und überließ Tadeusz das Reden.
    »Er war sehr zappelig, nervös wie ein junger Hirsch, und hat vier oder fünf Wodka getrunken.« Mit einer Handbewegung deutete Tadeusz an, wie schnell er sie hinuntergekippt hatte. »Am Anfang hat er kein Wort von sich gegeben. Doch dann hat er mich gepackt« – er griff nach Janusz’ Unterarm –, »und er sagte: ›Tadeusz, mein ganzes Leben bin ich nur von anderen verarscht worden. Jetzt bin ich mal dran.‹ «
    »Was hat er damit gemeint?«, erkundigte sich Janusz.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Tadeusz. »Mehr hat er mir nicht verraten. Kurz darauf habe ich gehört, jemand habe ihn im Bus nach Danzig getroffen. Er soll gesagt haben, er würde ab jetzt in London leben, und falls er je zurückkommen sollte, dann in einem BMW .«
    Janusz zündete seine ausgegangene Zigarre wieder an. Er hoffte, Tadeusz würde nie herausfinden, dass Adamskis Methoden, es zu Wohlstand zu bringen, Drogenhandel und Erpressung einschlossen.
    »Eine Woche später stand ein Artikel in der Ostsee-Zeitung «, fuhr Tadeusz mit so leiser Stimme fort, dass Janusz sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen. »Ein alter Mann namens Witold Struk, der am Stadtrand wohnte, war am Fuße seiner eigenen Kellertreppe aufgefunden worden – tot.« Stockend sprach er weiter. »Die Eingangstür war offen, aber da nichts fehlte, ist die policja von einem Unfall ausgegangen.«
    Janusz versuchte zu begreifen, was Tadeusz ihm da mitzuteilen versuchte. Offenbar stand ihm die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben, denn der alte Mann pochte mit dem Finger auf den Tisch zwischen ihnen und sagte langsam, als spräche er mit einem Kind: »In der Woche vor Struks Tod haben alle die Anzeige gelesen, die er in die Tageszeitung gesetzt hatte. Er suchte einen Käufer für einige antike Möbelstücke.« Er beobachtete, wie Janusz ein Licht aufging. »Struk starb in derselben Nacht , in der Pawel hier aufkreuzte und sich gebärdete wie ein Verrückter.«
    Janusz erstarrte. Hatte Adamski den alten Mann ermordet? Er erinnerte sich an Nowaks Worte, Adamski habe einen Mann zusammengeschlagen, der sich geweigert habe, seine antiken Möbel zu verkaufen. Er blickte sich um und vergewisserte sich, dass niemand sie belauschte. Doch inzwischen war das Lokal leer, und der Barmann lehnte am Tresen und blätterte gähnend in einer Zeitung.
    »Glauben Sie, dass Pawel ihn umgebracht hat?«, raunte er.
    »Nein, sicherlich nicht mit Vorsatz«, erwiderte Tadeusz kopfschüttelnd. »So etwas würde Pawel nie tun.« Er seufzte. »Aber vielleicht hat er die Beherrschung verloren, und das hat irgendwie zu Struks … Unfall geführt.«
    Möglicherweise hatte er dem alten Mann ja auch einen Baseballschläger über den Kopf gezogen und ihn die Treppe hinuntergestoßen, dachte Janusz.
    »Haben Sie mit der Polizei gesprochen?«
    »Das konnte ich Pawel nicht antun«, flüsterte Tadeusz. »Außerdem ist es ja nicht so, dass ich Beweise hätte.«
    Die beiden Männer schwiegen eine Weile. Dann beugte Tadeusz sich vor. »Die Sache ist die«, raunte er verschwörerisch, »dass die Polizei kein großes Interesse an dem Fall hatte – alle hier waren froh, Struk los zu sein.«
    »Warum? Weshalb war er so unbeliebt?«
    »Witold Struk war ein esbek .«
    Janusz ’ Augenbrauen fuhren hoch. Also hatte Struk für die S ł u ż ba Bezpiecze ń stwa gearbeitet, die verhasste Geheimpolizei im kommunistischen Polen und das Gegenstück zur Stasi in der DDR . Wenn man als Staatsfeind eingestuft wurde, war es die SB , die das Telefon abhörte, die Post las und Freunde, Nachbarn oder Vermieter durch Bestechung oder Drohungen zu Informanten machte. Auch das von allen Polen gefürchtete Klopfen an der Tür mitten in der Nacht geschah stets auf Anordnung der örtlichen SB -Dienststelle.
    Janusz bemerkte einen flehenden Ausdruck

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