Sündenfall: Roman (German Edition)
»Ich hätte nämlich noch einige Fragen an ihn.« Also ging der gute Timmy ihr tatsächlich aus dem Weg. Stirnrunzelnd betrachtete sie die Baumwipfel vor dem Fenster. Hatte sie sich womöglich so auf den Mann mit Hut als Täter versteift, dass sie andere Verdächtige außer Acht ließ?
»Sie glauben doch nicht wirklich, dass er auf irgendeine Weise in Elzbietas Tod … verwickelt sein könnte?«, wollte der Monsignore wissen. »Denn ich kann mich voll und ganz für Timothy verbürgen. Er ist absolut nicht in der Lage, etwas Böses zu tun.« Die Vorstellung allein schien ihn ehrlich zu entsetzen.
»Sicher haben Sie recht«, meinte Kershaw beschwichtigend. »Da wären nur noch ein paar Unklarheiten.«
Zielinski schien mit ihrer Erklärung zufrieden. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und forderte sie auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen. »Nach der Morgenmesse habe ich allen Studenten – und Lehrkräften – mitgeteilt, dass sie möglicherweise Fingerabdrücke oder sogar DNA -Proben abgeben müssen«, begann der Monsignore, der sich offenbar wieder gefasst hatte. »Ich habe hinzugefügt, dass ich mich als Erster für diese Tests zur Verfügung stellen werde, falls die Polizei das für nötig hält.« Er nahm ein Blatt Papier aus einer Aktenschale auf seinem Schreibtisch und reichte es ihr mit ernster Miene.
»Wunderbar, vielen Dank«, sagte Kershaw. Sie hatte ihn um eine Liste aller Studenten gebeten, die im Wohnheim lebten, und zwar aufgeteilt in die, deren Zimmer sich im selben Haus befanden wie Wronskas, und solche, die in den anderen vier Häusern untergebracht waren.
»Wie kommt die Spurensicherung voran?« Er sprach das Wort so vorsichtig aus, als trüge er selbst Latexhandschuhe.
»Bis jetzt nichts«, erwiderte sie. »Offenbar hat jemand sehr gründlich saubergemacht.«
»Ich fürchte, das ist unsere Schuld«, meinte der Monsignore. Als er Kershaws geweitete Augen bemerkte, lächelte er. »Verzeihung, ich wollte damit nur sagen, dass Mrs Rosiak, unsere Putzfrau, eine glühende Anhängerin des Wahlspruchs ist, dass Sauberkeit mit Gottesfurcht gleichgesetzt werden muss. Für uns ist das ein großer Vorteil, doch für Sie sicher ärgerlich.«
Kershaw schickte sich schon zum Gehen an, doch dann fiel ihr noch etwas ein.
»Ich trete übrigens heute Abend in Crimewatch auf, hauptsächlich, um über … einen anderen Fall zu sprechen«, erklärte sie. »Aber sie werden vielleicht auch ein Foto von Ela zeigen, um dem Gedächtnis der Zuschauer auf die Sprünge zu helfen. Es könnte ja jemand etwas Verdächtiges beobachtet haben.«
Erschrecken legte sich auf sein Gesicht, doch er machte eine schicksalsergebene Handbewegung. »Das wird dem Vorstand gar nicht gefallen«, antwortete er. »Aber wenn es der Wahrheitsfindung dient.«
Als Kershaw zu Elas Wohnheim zurückkehrte, fand sie das Gebäude ärgerlicherweise verschlossen vor. Vorhin hatte sie das Glück gehabt, sich hinter einem der Studenten ins Haus schmuggeln zu können, doch jetzt war niemand zu sehen, und sie kannte Daves Mobilfunknummer nicht. Im nächsten Moment fiel ihr ein, dass sie noch irgendwo den Zettel mit dem Türcode haben musste. Allerdings befand er sich in keiner ihrer Manteltaschen, und als sie gerade ihre Handtasche auf ein Fensterbrett stellte, um sie gründlich zu durchwühlen, bemerkte sie, dass sich ein Mann im Dufflecoat näherte.
»Verzeihung«, sagte sie und zückte ihren Dienstausweis. »Ich bin von der Polizei. Könnten Sie bitte so nett sein und die Tür für mich öffnen?«
»Tut mir leid, aber ich wohne nicht hier«, erwiderte er und warf einen Blick auf das Tastenfeld. »Letztes Jahr hatte ich ein Zimmer in diesem Haus, aber sie ändern den Code alle paar Wochen. Bedaure.«
Er ging weiter und ließ Kershaw, den Dienstausweis noch immer in der Hand, stehen. Fünf Sekunden später hatte sie den Inhalt ihrer Handtasche auf der Vortreppe ausgekippt und förderte einen zerknitterten Zettel aus dem Tohuwabohu zutage. Während sie ihn glattstrich, erinnerte sie sich an ihre erste Begegnung mit dem Monsignore, bei der er ihr den Weg zu Elas Wohnheim aufgezeichnet und in letzter Minute den Zugangscode zur Tür dazugeschrieben hatte. Da standen sie, die Zahlen, in seiner geschwungenen, selbstbewussten Handschrift. Sie schloss die Augen und überlegte. Hatte er zuvor eine Schublade geöffnet und in einer Akte nachgeschlagen? Nein. Sie wusste es noch ganz genau. Er hatte sie aus dem Gedächtnis aufgeschrieben.
Zielinski kannte
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