Sündenfall: Roman (German Edition)
lagen Drogen«, entgegnete er, »und da stand auch eine halb leere Flasche Wodka.«
Kershaw erinnerte sich an die Autopsie. Natürlich! »Sie dachten, dass sie sich umgebracht hat, weil sie ein Kind von Ihnen erwartete.«
Sein Blick schweifte in die dunklen Ecken der Kapelle. »Sie hatte es mir eine Woche zuvor eröffnet, und ich … ich habe ziemlich abweisend reagiert. Sicher hat sie diese Wahnsinnstat begangen, um mir die Verantwortung und die Schande zu ersparen …« Er verstummte. Entweder konnte oder wollte er nicht weitersprechen.
Kershaw hielt es kaum noch auf ihrem Platz. Bevor er kalte Füße bekam, musste er unbedingt gestehen, was, wie sie beide wussten, wirklich geschehen war.
»Da gibt es doch noch etwas, das Sie mir sagen wollen, oder?«
Er rang die Hände auf dem Schoß.
»Es muss ein schrecklicher Schock gewesen sein, Elzbieta so vorzufinden«, fuhr sie fort. »Wenn Menschen unter Schock stehen, tun sie oft Dinge, an die sie sonst nicht im Traum denken würden.« Sie versuchte, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen.
Sein Augenausdruck verriet ihr, dass er bereit war. Sie musste nur einen Weg finden, auf seine unfassbare Entscheidung zu sprechen zu kommen.
»Sie konnten die Vorstellung nicht ertragen, dass ein anderer sie so sehen würde, richtig?«, fragte Kershaw. »Damals erschien es Ihnen vermutlich als das Pietätvollste, ihre Leiche in den Fluss zu werfen.«
ACHTUNDZWANZIG
V ierundzwanzig Stunden, nachdem Janusz angefangen hatte, seine Kontaktleute in der Baubranche abzuklappern, trudelte schon das erste Ergebnis ein. Ein Bauunternehmer namens Miroslaw, der gerade mit dem Innenausbau neuer Büros im West End beschäftigt war, meldete, Adamski sei ihm als mögliche neue Arbeitskraft auf der Baustelle vorgeschlagen worden. Er versprach, mit seinem Informanten zu reden und Janusz zurückzurufen.
Janusz beschloss, sich zum Abendessen einen warmen Kartoffelsalat mit wiejska -Würsten von dem neuen Polski Sklep in Highbury Corner zu machen.
Beim Kochen konnte er am besten nachdenken – und seit er Ela Wronskas College-Akte gesehen hatte, hatte er mehr Stoff als genug zum Grübeln.
Anfangs hatte er sich nicht vorstellen können, dass das Mädchen auch eines von Adamskis Opfern war. Wo hätte ein Taugenichts wie er wohl eine so anständige Studentin kennenlernen, geschweige denn ihr Freund werden sollen? Doch als er heute im Pub die Seite mit ihren persönlichen Daten gelesen hatte, hatte er unter der Überschrift »Schulbildung« die Antwort gefunden: »1984–1990 – Dom Dziecka 376, Gorodnik «.
Das war also des Rätsels Lösung. Nach dem Tod ihrer Eltern war Ela im Kinderheim Nummer 376 gelandet, einem Drecksloch in Gorodnik, wo sie bis zu ihrer Adoption hatte ausharren müssen. Dort waren sie und Pawel einander begegnet und ein Liebespaar geworden. Wahrscheinlich hatte er ihr die Tätowierung mit einer Nadel und Tinte gestochen, wie es so viele Jugendliche damals taten.
Während er die wiejska in dicke, kreisrunde Scheiben schnitt, fragte er sich, ob ein Zusammenhang zwischen Adamskis Sandkastenliebe mit Ela und seinem Versuch, Zamorski zu erpressen, bestand. Nein, vermutlich hatte Adamski im Kurier Gorodnik von Elas Konzert gelesen und sie nach seiner Ankunft in London im College aufgesucht, vielleicht in der Hoffnung, wieder an ihre alte Beziehung anknüpfen zu können. Wenn man es so ausdrückte, klang es beinahe romantisch – nur dass er Ela, als sie ihn zurückwies, gezwungen hatte, die Drogen zu nehmen, die sie schließlich umbrachten.
Janusz setzte sich mit seinem vollen Teller aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Da Polen übermorgen einen neuen Präsidenten wählen würde, berichtete der polnische Sender pausenlos über Zamorski, den unangefochtenen Favoriten. Die Kameras folgten ihm und seiner Frau sogar zur Morgenmesse. Der Bericht endete mit einer Nahaufnahme seines gütigen Gesichts, während er die Hostie aus der Hand des Priesters entgegennahm. Nach dem Essen stellte Janusz den Teller weg und versuchte, sich auf die Sendung zu konzentrieren, doch schon wenige Sekunden später ruhte sein Kinn majestätisch auf seiner Brust.
Jäh schreckte er hoch. Der Puls pochte ihm in den Ohren, und an seinen Armen stellten sich die Härchen auf: Irgendetwas hatte sein vegetatives Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzt. Im nächsten Moment sprang er beinahe vom Sofa auf, da Copernicus ihm mit einem kehligen Schnurren auf den Schoß hüpfte. Als so etwas zum letzten Mal
Weitere Kostenlose Bücher