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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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Janusz fort, ohne ihm in die Augen sehen zu können. »Wegen Ela.«
    Adamski war tiefer getroffen, als Janusz erwartet hatte, und rollte sich, schluchzend wie ein kleines Kind, im Sessel zusammen. Janusz, der noch nie einen erwachsenen Mann so bitterlich hatte weinen sehen, war nicht sicher, was er tun sollte. Er förderte eine Flasche Wodka zutage, schenkte ein Glas voll ein, drückte es dem Jungen in die Hand und tätschelte ihm unbeholfen und tröstende Worte murmelnd die Schulter.
    Gute fünf Minuten später wischte sich Pawel mit dem Zipfel seines Sweatshirts Augen und Nase ab und hörte sich an, was Janusz zu Elas Tod zu sagen hatte.
    »Ich bin schuld an ihrem Tod«, schniefte er, nachdem Janusz fertig war. Die Trauer verlieh seinem langen, griesgrämigen Gesicht eine melancholische Würde.
    Janusz wurde von Mitgefühl ergriffen. Noch vor einer knappen Stunde hätte er diesem Kerl am liebsten die Abreibung seines Lebens verpasst und ihn dann der kleinen Detektivin übergeben. Inzwischen jedoch war er sicher, dass der Junge – von seinem idiotischen Erpressungsversuch abgesehen – ziemlich harmlos war und Weronika offenbar aufrichtig liebte.
    »Deine Schuld? Warum denn? Weil sie eigentlich nach dir gesucht haben?«
    Er senkte den Blick und schüttelte den Kopf. »Ela hätte nie Schwierigkeiten gemacht. Ich war es, der schlafende Hunde geweckt und sie in Gefahr gebracht hat.«
    Janusz verstand die Welt nicht mehr – wie hätte Ela Zamorski Schwierigkeiten machen können ? Er fühlte sich, als blicke er in ein Kaleidoskop: Die bunten Glasscherben schienen sich zu einem Muster zusammenzusetzen, nur um sich schon im nächsten Moment zu einem neuen Bild zu formieren.
    »Ich erkläre dir alles«, sagte Pawel schließlich und blickte Janusz in die Augen. »Versprichst du dann, mich und Nika in Ruhe zu lassen?«
    Janusz hielt inne. » Tak . Ich gebe dir mein Wort.«
    Pawel starrte auf einen Punkt oberhalb von Janusz’ Kopf und begann zu sprechen, allerdings so leise, dass Janusz sich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
    »Sie haben mich ins Heim gesteckt, weil meine Mama und mein Tata angeblich schlechte Menschen waren«, begann er. »Das mag gestimmt haben, aber wenigstens haben sie mich geliebt. Ich habe mich scheußlich gefühlt, im Heim, bis Ela kam.« Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Sie hat Geschichten erfunden, zum Beispiel, dass wir mit den Zigeunern davonlaufen könnten oder dass wir in Wirklichkeit geraubte Königskinder sind und dass der König und die Königin uns eines Tages holen kommen würden.«
    Janusz erinnerte sich an seine eigene Kindheit. Während er sich bei seiner Mama über die rationierten Süßigkeiten und die wenigen Spielsachen beklagt hatte, hatten Tausende von Kindern ein Leben wie das von Pawel und Ela erdulden müssen.
    »Sie hat für mich gesorgt wie eine Schwester. Als sie einmal die großen Jungs dabei erwischt hat, wie sie mich mit einer Zigarette verbrennen wollten, hat sie sich auf sie gestürzt wie eine Wilde!« Pawels Lächeln verschwand. »Doch gegen Witold Struk war auch sie machtlos.«
    Janusz spürte, wie an seiner Kehle eine Ader zu pochen begann.
    Als sich Adamski eine Zigarette anzündete, zitterte die Flamme des Feuerzeugs. »Beim ersten Mal fanden wir es einfach nur aufregend, in seinem großen, schicken Auto mitfahren zu dürfen«, sagte er. »Er hat uns in den Wald gebracht. Und dort hat er uns in der dacza erwartet.«
    Janusz blickte sich im Raum um, während sein Verstand versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Seine Hände zuckten, als hätte er einen unter Strom stehenden Draht berührt.
    »Zamorski«, stellte er fest.
    Pawel nickte knapp. »Ja, nur dass ich damals seinen Namen nicht kannte.«
    Stirnrunzelnd betrachtete er seine Händflächen. »Die ersten Male … passierte nichts. Wir haben Dame gespielt, und er hat uns Sachen geschenkt, die es im Heim nicht gab – Kapitän-Kloss-Comics, Toblerone.« Er schnippte Zigarettenasche in eine leere Bierdose und wich Janusz’ Blick aus. »Er wollte uns weichkochen, damit wir später nicht mehr so leicht nein sagen konnten. Danach hieß es immer: ›Und was ist mit all den Süßigkeiten und Spielsachen? Wie wollt ihr sonst dafür bezahlen?‹«
    Er schüttelte heftig den Kopf, als wolle er ein Bild wachrufen.
    »Jedes Mal hatte ich mir geschworen, ihn zu verprügeln, und dann stand ich doch wieder nur stocksteif da wie eine Statue.« Er zog seine Jacke fester um sich. »Weißt du, was das Schlimmste

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