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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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hatte, bis er von einigen neugierigen und leichtsinnigen Kindern geweckt wurde. Das Ungeheuer übte blutige Rache und schlachtete unzählige junge Mädchen ab, ehe es endlich überlistet und getötet werden konnte.
    »Deshalb war ich beim Konzert«, fuhr Pawel fort. »Um Ela zu sagen, dass ich das Schwein gefunden habe, das uns das angetan hat, den großen Politiker, über den sämtliche Nachrichtensendungen berichten.«
    »Wie hat sie reagiert?«, fragte Janusz.
    »Sie meinte, ich solle es vergessen und die Vergangenheit ruhen lassen. Es würde nichts bringen, darin herumzuwühlen. Das klang zwar vernünftig, aber ich habe trotzdem die Beherrschung verloren und sie angebrüllt.« Er presste die Finger an die Schläfen. »Und jetzt werde ich sie nie wiedersehen.«
    Wie Janusz feststellte, schwang in der Stimme des jungen Mannes kein Selbstmitleid mit. Offenbar war er bereit, für die Lawine, die er losgetreten hatte, die Verantwortung zu übernehmen. »In deiner Kindheit hattest du keine Ahnung, dass es Zamorski war, der … diese schrecklichen Dinge getan hat?«, erkundigte Janusz sich verlegen. »Erst als Struk es dir erzählt hat?«
    »Wir kannten ihre Namen nicht, und im Laufe der Jahre vergaß ich auch ihre Gesichter. Was passiert ist, habe ich natürlich nie vergessen, doch ich habe mich gezwungen, nicht daran zu denken.« Er klopfte sich mit den Knöcheln gegen die Schläfe. »Ich habe es in meinem Kopf in eine Kiste gepackt und sie nie wieder aufgemacht.« Er blickte Janusz an. »Findest du das verrückt?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Janusz erwiderte seinen Blick und dachte an die Kiste in seinem eigenen Kopf, in der alle Reue und Schuld der Vergangenheit ruhten. »Also hast du dich nur bei ihm gemeldet, weil er antike Möbel in der Zeitung inseriert hatte.«
    Pawel nickte. »Als er die Tür aufmachte, habe ich ihn nicht erkannt. Er war alt und abgemagert.« Pawel zog die Wangen ein, um seine Worte zu unterstreichen. »Er hat mich gefragt, was ich von diesem Zamorski halte, der sicher Präsident werden würde, und ich habe geantwortet, dass mich Politik einen Scheißdreck interessiert.« Pawel drückte die Zigarette aus. »›Du weißt doch, wer er ist, oder?‹, meinte er dann.«
    Pawel fuhr fort, Struk habe ihn im Flur stehen gelassen, sei in den Keller gelaufen und kurz darauf, eine Akte schwenkend, zurückgekehrt.
    »Er wedelte damit unter meiner Nase herum und laberte irgendwelches wirres Zeug, was für ein schrecklicher Mensch Zamorski ist und dass er persönlich mit dem, was da lief, nie einverstanden gewesen wäre.« Pawel blickte mit zusammengekniffenen Augen zur Decke und versuchte, sich an die Worte zu erinnern. »Er sagte, wenn sie die Unruhestifter nicht daran gehindert hätten, das ganze Land ins Chaos zu stürzen, wären die Russen einmarschiert.« Er zuckte die Achseln. »Ich hielt ihn für einen senilen Tattergreis.«
    Janusz nickte. Nach all den Jahrzehnten, die Struk Pläne geschmiedet hatte, um seinen alten Feind zu vernichten, musste es ein erhebender Moment gewesen sein, plötzlich vor dem Werkzeug seiner Rache zu stehen.
    »Ständig wiederholte er: ›Schau, schau, hier ist der Beweis.‹« Pawel krümmte den Zeigefinger und ahmte Struks verbissenes Beharren nach. »Oben habe ich den Namen Edward Zamorski, sein Geburtsdatum und irgendwas mit Nowa Huta gelesen. Das alles hatte keine Bedeutung für mich. Doch dann zeigte er wieder mit dem Finger, und da habe ich es gesehen – ›Elster‹.«
    »Das war Zamorskis Deckname bei der SB . Aber ich verstehe nicht ganz. Woher kanntest du ihn?«
    »So hat Struk ihn immer genannt, wenn er uns mit dem Auto hinfuhr – › Pan Sroka hat heute neue Titus-Comics für euch. Pan Sroka hat ein tolles Spiel, das ihr mit nach Hause nehmen dürft …‹«
    Wahrscheinlich hatte es dem alten Mistkerl eine diebische Freude bereitet, den geheimen Decknamen seines Erzfeindes in Gegenwart der Kinder zu verwenden.
    »Als er bemerkte, dass ich den Namen erkannte, lachte er.« Pawel klatschte einmal in die Hände. »Da ging mir ein Licht auf. Der Mann, der uns zur dacza gefahren hat, hatte dasselbe schrille Lachen – so wie eine Türangel, die dringend geölt werden muss. Plötzlich war ich wieder sechs Jahre alt und hielt auf der Rückbank seines Autos Elas Hand.
    Ich habe angefangen, ihn anzubrüllen. Ich weiß nicht mehr, was ich zu ihm gesagt habe. Dann habe ich ihn gegen den Türrahmen geschubst.« Pawels Hand schoss nach vorne und packte einen imaginären

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