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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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Struk an der Kehle. »›Nimm die Akte, nimm die Akte, damit kannst du ihn vernichten!‹, hat er ständig wiederholt.«
    Mit einer gequälten Geste schlug Pawel die Hand vor die Stirn.
    »Kein Mensch würde es dir zum Vorwurf machen, wenn du ihn umgebracht hast«, sagte Janusz.
    »Das habe ich nicht! Ich meine … ich wollte es nicht«, entgegnete Pawel und sah Janusz an. »Er stand in der Kellertür und hielt sie mit einer Hand auf.« Er machte es mit ausgestrecktem Arm vor. »In der anderen Hand hatte er die Akte. Bei unserer Rangelei hat er sie fallen gelassen und das Gleichgewicht verloren.« Er tat, als würde er mit der linken Hand panisch nach etwas greifen. »Er wollte sich am Türrahmen festhalten, doch der hat nachgegeben.«
    Pawel holte tief Luft und pustete sie langsam wieder aus. »Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich längst wieder in London.«
    »Aber du hast die Papiere aufgehoben, die Struk fallen gelassen hatte?«
    Er nickte. »Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass jemand anders sie vielleicht lesen würde. Dann wurde mir klar, dass Zamorski ein reicher und berühmter Mann geworden war, nachdem er mir und Ela das Leben ruiniert hatte. Ein Mann, den die Menschen respektierten .« Hasserfüllt stieß er das Wort hervor. »Ich wollte ihn leiden sehen.«
    »Und als du angefangen hast, ihn zu erpressen, hat er dir Geld geschickt«, fuhr Janusz fort. »Was hat Weronika mit der Sache zu schaffen? Was wolltest du von ihr?«
    »Durch das Geld ist es mir nicht besser gegangen. Die Sache hat mich ganz verrückt gemacht.« Pawel starrte an die Wand und zog eine Schulter hoch.
    »Es stand alles in Struks Papieren – Zamorski hatte eine Tochter, die er vergötterte und die in England in einem Restaurant arbeitete.«
    Das klang plausibel. Für jemanden wie Struk, der sein Leben lang damit verbracht hatte, Informanten anzuwerben, war es sicher ein Leichtes gewesen, Zamorskis Kontakte zu Weronikas Mutter zu überwachen.
    »Ich habe beschlossen, sie zu entführen«, sprach Pawel mit hängendem Kopf weiter. »Ich wollte ihn damit quälen, dass ich ihm die schrecklichen Dinge schildere, die ich mit ihr mache, und sie dann umbringen.« Verlegen sah er Janusz an. »Ich hätte nie damit gerechnet, dass sie freiwillig mitkommt – oder dass ich mich in sie verlieben würde.«
    Janusz wurde klar, welche seltsame Wendung Pawel Adamskis Schicksal genommen hatte: Zuerst hatte Zamorski sein Leben zerstört, und dann hatte die Liebe zu Zamorskis Tochter es ihm wieder zurückgegeben.
    Janusz brach das lange Schweigen, das darauf folgte. »Du hast bestimmt Hunger«, sagte er. »Ich hole dir etwas wiejska , und danach überlegen wir uns, wie wir dich und Weronika aus diesem Schlamassel rausholen.«
    Als Janusz mit dem vollen Teller zurückkehrte, nahm Pawel ihn entgegen und sah ihn hoffnungsvoll an. Dann griff er sich mit der rechten Hand unters Hemd und holte einen braunen Umschlag hervor. »Hier ist alles drin«, verkündete er.
    Während Pawel aß, nahm Janusz zwei eng betippte, noch körperwarme DIN -A4-Seiten aus dem Kuvert. Es handelte sich ganz offensichtlich um die ersten beiden Seiten von Zamorskis SB -Akte. Sie fassten die Höhepunkte der Karriere zusammen, die der Präsidentschaftskandidat als Topinformant des Geheimdienstes gemacht hatte.
    Auf der ersten Seite wurde Informant Elster als »Edward Zamorski, Stahlarbeiter, Solidarność-Funktionär, Nowa Huta« bezeichnet. Zamorski war im Juni 1981 von einem SB -Agenten namens Byk – Bulle – angeworben worden.
    Man bezeichnete ihn als »wertvollen Kollaborateur« und ergiebige Quelle von Fakten aus »gut informierten Kreisen« – SB -Jargon für seine Kollegen und unfreiwilligen Informanten bei Solidarność und in der Kirche.
    Die zweite Seite listete Zamorskis wichtigste Zielpersonen auf, darunter einige gut bekannte Dissidenten. Doch ein Name war es, der Janusz besonders ins Auge stach – Pater Marek Kuba, der mutige Priester und Kämpfer für die Demokratie, der von der SB ermordet worden war. Neben seinem Namen stand der Deckname Papie ż ek , der so häufig in den Unterlagen in Struks Schreibtisch aufgetaucht war.
    Also war es der sechsundzwanzigjährige Kuba, den die SB spöttisch »kleiner Papst« getauft hatte, dachte Janusz. Er erinnerte sich an das Foto der Freunde und Kampfesbrüder Edward Zamorski und Marek Kuba, die in der ersten Reihe des Demonstrationszugs die Schlagstöcke der ZOMO abwehrten. Als er weiterlas, wurde das Druckgefühl in

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