Sündenfall: Roman (German Edition)
wissen, dass das Spiel aus ist, und seine Kandidatur zurückziehen. Dann nützt ihm dein Tod nichts mehr – und du und Weronika seid in Sicherheit.«
NEUNUNDZWANZIG
A ls Janusz vom Tageslicht geweckt wurde, war er im ersten Moment verwirrt – er hatte im Schlafzimmer Verdunkelungsvorhänge. Doch im nächsten Moment fiel ihm wieder ein, wo er war. Nachdem Pawel sich verabschiedet hatte, war Janusz zu dem Schluss gekommen, dass er keinen zweiten Besuch des psychol mit Hut riskieren wollte, insbesondere jetzt nicht, da er im Besitz von Zamorskis SB -Akte war. Deshalb hatte er seinen Nachbarn rausgeklopft; den, der in einer Kunstgalerie arbeitete. Gut, es war schon nach Mitternacht, doch der Mann war noch wach und voll bekleidet. Anfangs schien ihn die Bitte seines seltsamen Nachbarn, auf dem Sofa schlafen zu dürfen, etwas aus dem Konzept zu bringen. Aber als Janusz ihm erklärte, dass er sich dummerweise beim Müllrunterbringen selbst ausgesperrt hatte, und dabei seinen mitteleuropäischen Charme spielen ließ, hatte er schließlich eingewilligt.
Nun wuchtete Janusz sich von dem harten schwarzen Ledersofa hoch, verfluchte seine knarzenden Gelenke und sah auf die Uhr: kurz nach sechs. Ihm schoss durch den Kopf, dass er noch nie im Leben mit einem Schwulen unter einem Dach geschlafen hatte – und dass Oskar davon sicher nie etwas erfahren würde. Er lehnte die Tür an und pirschte sich auf Socken zu seiner Wohnung. Nichts. Lautlos schloss er auf.
Eigentlich hatte er ja mit diesem Anblick gerechnet, doch er jagte ihm dennoch einen eiskalten Schauder den Rücken hinunter. Die Wohnung war mit chirurgischer Präzision auseinandergenommen worden. Jemand hatte jedes Polster von Sofa und Sessel mit einer Klinge aufgeschlitzt und sämtliche Ecken der Teppichböden nach oben gebogen. In der Küche war der Inhalt der Schränke auf der Arbeitsfläche ausgebreitet. Kaffee und Mehl hatten die Eindringlinge einfach in die Spüle gekippt. Offenbar war er gestern Nacht gerade noch rechtzeitig verschwunden. Panik ergriff ihn, als ihm Copernicus einfiel, doch dann erinnerte er sich, dass er ihn trotz seines empörten Protests hinaus aufs Küchenfensterbrett gesetzt hatte, bevor er nach nebenan gegangen war.
Zurück in der Nachbarwohnung, verriet ihm das Brummen der Dusche, dass der Mann – Sebastian hieß er – inzwischen aufgestanden war. Janusz hatte gerade das Federbett zusammengefaltet, als sein Mobiltelefon läutete. Oskar.
» Cze ść , Janusz.« Er klang ungewöhnlich bedrückt.
»Was ist, kolego ?«
»Hast du gestern Abend Crimeswatch gesehen?«, fragte Oskar.
»Die Sendung heißt Crimewatch , Blödmann. Nein, hab ich nicht. Warum?«
»Die kleine Detektivin ist aufgetreten und hat über Justyna geredet, das Mädchen, das im Hotel ermordet worden ist.« Allmählich machte Oskars Tonfall Janusz Angst.
»Raus mit der Sprache, Oskar, ich habe heute noch viel vor«, schimpfte er.
Wieder entstand eine Pause. »Der Kerl aus dem Hotel – das war er!«, brach es dann aus Oskar heraus. »Das war der Typ, der mich beauftragt hat, den armen alten Olek zu überführen.«
Es dauerte eine Weile, bis Janusz seinem Freund eine zusammenhängende Geschichte entlockt hatte. Offenbar hatte Crimewatch eine Aufnahme des Mannes mit Hut gebracht, und Oskar hatte ihn sofort erkannt: Es war der Mann, der ihm zweitausend Euro gezahlt hatte, um Oleks Leiche zurück nach Polen zu bringen.
»Du hast doch sicher bei dem Bauunternehmer auf Oleks Baustelle nachgefragt, ob der Typ auch echt ist«, hakte Janusz nach und kämpfte dabei die aufsteigende Panik nieder.
»Die Zeit hat nicht gereicht«, protestierte Oskar. »Ich habe den Anruf erst am Tag vor der Abfahrt bekommen.«
»Und woher kamen die offiziellen Dokumente?«, klammerte sich Janusz an den letzten Strohhalm. »Die hat man dir doch ausgehändigt, als du Olek vom Bestatter abgeholt hast, richtig?«
Schweigen.
»Oskar?«
»Ich habe ihn nicht vom Bestatter abgeholt«, gestand Oskar schließlich. Janusz malte sich aus, wie sein Freund am anderen Ende der Leitung von einem Fuß auf den anderen trat wie ein Kind, das etwas ausgefressen hat.
»Wo zum Teufel hattest du ihn dann her?« Janusz ’ Stimme erhob sich um einige Dezibel.
»Der Typ mit dem komischen Hut hat ihn mir in einem Transporter gebracht.«
»Was? Zu dir nach Hause?«
»Nicht ganz. Wir haben uns in East Ham getroffen und ihn in mein Auto umgeladen.«
»Wo in East Ham, verdammt?«
Oskar zögerte. »Auf dem Parkplatz
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