Sündenfall: Roman (German Edition)
von Hunderten von Kilometern. Die ganze Sache war nur ein Trick der Kommunisten.«
Janusz rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ich verstehe nicht, was all das mit Weronika zu tun hat.«
»Warum haben junge Leute es nur immer so eilig?«, gab Nowak leicht tadelnd zurück. »Bitte gestatten Sie mir, Ihnen die Geschichte auf meine Weise zu erzählen.«
Janusz lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
Nowak trank einen Schluck Tee. »Die Kommunisten dachten, sie könnten all die gefährlichen Krakauer Intellektuellen in Schach halten, indem sie ein paar Hunderttausend verblödete Proleten ankarren.« Er kicherte. »Wie wir heute wissen, ist der Schuss nach hinten losgegangen.«
Janusz konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Als er in Krakau angekommen war, um sein Physikstudium aufzunehmen, hatte sich Huta bereits zum zweiten Widerstandsnest nach den Danziger Werften und zum Stachel im Fleisch des Regimes entwickelt.
»Ich habe mich oft gefragt, was wohl aus dem Bürokraten geworden sein mag, der sich Huta ausgedacht hat«, meinte Nowak und goss Tee in sein Glas. »Vermutlich haben sie ihm seine brillante Idee mit einem Neun-Millimeter-Geschoss aus einer Makarov in den Hinterkopf gelohnt.«
»Also ist Zamorski dort mit Solidarność in Berührung gekommen?«, erkundigte sich Janusz.
Der Mann nickte. »Wir waren die Vertreter der Arbeiterschaft, haben Beschwerden an die Betriebsleitung weitergegeben, Streiks und Sit-ins organisiert und den Mistkerlen anderweitig eingeheizt.« Er erinnerte sich lächelnd. »Wissen Sie, dass Pater Piotr auch eine Weile dort war?«
Janusz schüttelte den Kopf.
»Der war ein richtiger Hitzkopf«, meinte Nowak mit funkelnden Augen. »Während eines Streiks hat er sogar im Stahlwerk die heilige Messe gefeiert. Die Kommies haben natürlich getobt.«
Vergeblich versuchte Janusz auf dem harten Stuhl eine Sitzposition zu finden, die seine pochende Rippe entlastete. »Haben Sie jetzt einen Posten in der Partia Renasans ?«, fragte er, inzwischen ein wenig respektvoller, da er nun die Vergangenheit des Mannes kannte. »Als Berater von Zamorski vielleicht?«
In gespieltem Entsetzen riss Nowak die Augen auf. »Gütiger Himmel, nein. Ich habe damals auf den Barrikaden meine Pflicht getan und sogar ein paar Zellen in Montelupich von innen gesehen. Doch nachdem Wałęsa gewählt worden war« – er zuckte die Achseln –, »habe ich beschlossen, dass ich nun genug von der Politik habe. Ich wollte einfach nur weiterleben.«
Janusz nickte unwillkürlich. »Was haben Sie in den letzten zwanzig Jahren gemacht?«, erkundigte er sich.
»Ich habe eine kleine Baufirma gegründet. Renovierungsarbeiten – zufällig sogar in Huta. Nach einigen Jahren hatte ich mehr Geld verdient, als ich ausgeben konnte. Es reichte für ein kleines Fischerboot und eine Wohnung in Krakau.« Er schmunzelte. »Jetzt bin ich im Ruhestand und kann den dyletant spielen: Ich gehe mit alten Freunden wie Edward fischen, engagiere mich ein bisschen für wohltätige Zwecke und versuche, mir keinen Ärger einzuhandeln.«
Er leerte sein Teeglas und sah Janusz an. »Und daher kenne ich Edward.«
Janusz verschränkte die Arme. »Gut. Soll das heißen, dass ich in Wirklichkeit für Edward Zamorski gearbeitet habe, als Pani Tosik mich beauftragt hat, Weronika zu suchen?« Er bemühte sich um einen ruhigen Tonfall.
Nowak hob eine Hand und ließ sie wieder sinken. »Bitte verstehen Sie, dass ich genauso im Dunkeln getappt bin wie Sie, bis Edward mich gestern anrief.« Er wirkte plötzlich gealtert und rieb sich mit den Fingerspitzen den Nasenrücken. »Er hat mir von dem … Schlamassel erzählt, in den er da hineingeraten ist, und mich um Hilfe gebeten.« Er zuckte die Achseln. »Weil er ein guter Freund ist, habe ich natürlich ja gesagt.«
Janusz dachte an Oskar, dem er im Laufe der Jahre schon öfter aus der Patsche geholfen hatte.
»Als Pater Pietruzki Sie für den Auftrag empfahl, hat Edward offenbar darauf bestanden, seinen Namen aus der Sache herauszuhalten«, fuhr Nowak fort. »Doch dann geschah die Tragödie mit der jungen Justyna, und das veränderte natürlich alles. Nachdem Edward mich eingeweiht hatte, haben Pater Pietruzki und ich ein Gespräch geführt und ihn gemeinsam überredet, Ihnen reinen Wein einzuschenken.«
Wieder spürte Janusz, wie Zorn in ihm aufstieg. Außerdem war er gekränkt. Anscheinend hatte der Priester Zamorski und die Partei wichtiger genommen als ihre Freundschaft.
»Da ich sowieso
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