Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
ein Nomadenlager gesehen. Zwischen den Zelten brannten Feuerstellen und spendeten ein gerade ausreichendes Licht. Dazwischen lagerten Kamele, und vor den meisten Zelten standen Pferde. Dennoch wirkte alles erstaunlich still. Bis auf die Stimmen der Männer, das Blöken eines Kamels und das Schnauben der Pferde waren keine weiteren Laute zu hören. Trotz des Halbdunkels erkannte Lena die rotbraunen Staubschichten, die die Zelte bedeckten. Eines der Zelte lag sogar niedergesunken am Boden. Was sie jedoch vermisste, waren Frauen und Kinder, genau wie Ibrahim es erwähnt hatte. Zu so später Stunde wunderte sie sich, dass niemand neugierig aus den Zelten hervorlugte, nirgendwo ein Säugling weinte oder Frauen lachten. Lebten in diesem Lager tatsächlich nur Männer?
Das Kamel blieb vor einem der Zelte stehen und sank in die Knie. Diesmal war Lena besser auf die merkwürdigen Bewegungen des Tieres vorbereitet und hielt sich rechtzeitig fest. Philip stöhnte leise. Wie schwer mochte seine Wunde wohl sein? Hatte der Hieb innere Organe verletzt?
Zwei Männer hoben den Versehrten vorsichtig aus der Sänfte und trugen ihn in das Zelt. Lena folgte ihnen, und auch Said ließ seinen Freund nicht aus den Augen.
Trotz ihrer Sorge um Philip konnte Lena nicht umhin, über das Zeltinnere zu staunen. Sie hatte mit einem Boden aus Sand gerechnet, mit schäbigen Decken und spärlichen Gerätschaften. Doch überall lagen kostbare Teppiche, reich verzierte Sitzkissen umgaben einen flachen Tisch, ähnlich wie in Mikhails Haus. Und auf diesem Tisch stand tatsächlich eine Schale mit Obst. Die Sethi pflegten anscheinend gute Verbindungen zu den Händlern der Oasen.
Die zwei Helfer trugen Philip zu einer Lagerstatt, die sich im rückwärtigen Bereich des Zeltes hinter einem Vorhang befand. Kurz darauf erschien ein Mann in einem schlichten weißen Hemd, das bis zu den Knien reichte und in der Mitte von einer schwarzen Kordel zusammengehalten wurde. Das Gewand wäre Lena gar nicht aufgefallen, aber es bildete einen seltsamen Gegensatz zu dem prächtigen Halskragen, den der Fremde trug. Der Schmuck reichte bis auf die Brust und war aus bunten Steinen gefertigt. Zudem war der Schädel des Mannes vollständig kahl rasiert.
Tariq stellte ihn als Horeb vor.
»Einen besseren Arzt findet ihr nicht einmal in Alexandria«, versprach er. Said runzelte die Stirn, schwieg aber, als Horeb sich zu Philip niederbeugte und behutsam nach der Wunde tastete.
Immerhin gab Philip nicht mehr als ein leises Stöhnen von sich. Lag es daran, dass er inzwischen zu schwach war, oder war Horeb tatsächlich ein so guter Arzt, wie Tariq behauptete?
Es dauerte eine ganze Weile, bis der Ägypter von Philip abließ.
»Der Stich hat tief getroffen«, erklärte er. »Der Darm ist verletzt, er wird unweigerlich eitern. Dann wird der Kranke innerlich verbrennen und schließlich sterben.«
Eine eisige Faust schien Lenas Eingeweide zusammenzupressen. »Nein!«, rief sie. »Sag, dass es eine Rettung gibt!«
»Nicht hier.« Der Arzt schüttelte betrübt den Kopf.
»Könntest du ihn daheim retten?«, fragte Tariq.
»Möglicherweise«, antwortete Horeb. »Das liegt bei den Göttern.«
»Daheim?« Lena horchte auf. »Was heißt das?«
Tariq schwieg.
»Sprich! Wenn es eine Möglichkeit gibt, und sei sie noch so gering, dann bin ich bereit, jeden Preis zu zahlen, den du verlangst.«
»Jeden Preis?«
»Jeden. Philips Großvater ist ein reicher Mann. Für das Leben seines Enkels wird ihm nichts zu teuer sein.«
Tariq senkte den Blick. »Manche Preise sind nicht mit Gold zu begleichen.«
»Dann nenn mir deinen Preis!«
»Er bedeutet dir viel?«
»Er ist mein Gatte! Er ist mein Leben!«
»Und was ist mit dir?« Tariq blickte Said an. »Bist du ebenfalls bereit, den Preis zu zahlen, den wir für sein Leben fordern werden?«
»Jeden Preis«, antwortete Said mit entschlossener Miene.
»Auch im Namen eurer Gefährten?«
Said nickte.
»So sei es.«
»Dann nenn uns endlich deinen Preis!«, forderte Lena noch einmal.
»Du wirst ihn erfahren, wenn ich meinen Teil der Abmachung eingehalten habe. Ich verspreche dir nicht, dass Horeb ihn retten kann. Den Preis müsst ihr dennoch bezahlen.«
»Wenn es nur die kleinste Hoffnung gibt, versuchen wir es«, bestätigte Lena abermals, ohne den Blick von Philips bleichem Gesicht abzuwenden.
»Also gut.« Tariq sagte etwas zu Horeb, in einer Sprache, die Lena nicht verstand, deren Melodie ihr jedoch seltsam vertraut vorkam. Horeb
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