Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
zwar keinen Trost mehr spendeten, aber ihre Seele betäubten. Sie versetzten sie in einen Zustand zwischen Traum und Wachen und halfen ihr, die Schrecken dieser Hölle zu ertragen. Auch wenn sie die Qualen nicht vergessen konnte und um jeden Luftzug rang.
Als sich der Sturm endlich gelegt hatte, war es bereits dunkel. Philip erhob sich als Erster. Seine Bewegungen holten Lena zurück in die wirkliche Welt, aus der sie sich schon vor Stunden verabschiedet hatte. Er zog eine Pechfackel aus seiner Satteltasche und entzündete sie.
»Wir haben es überstanden«, verkündete er und stieß die Fackel in den Boden. Ihr Schein vertrieb sogleich die Dunkelheit. »Was ist mit den Pferden?«
Überall rührten sich Sandhügel, unter denen die Gefährten mit den Pferden lagerten. Bis auf Theas Stute, die im Sturm davongelaufen war, waren alle Tiere wohlauf. Lenas Pferd zitterte nicht länger, sprang auf und schüttelte sich. Dennoch behielt das einstmals helle Fell der Stute einen rötlichen Schimmer. Lena betrachtete sich selbst. Auch ihr einst strahlend weißer Burnus war von rötlichem Staub bedeckt, der sich kaum abklopfen ließ.
»Was für ein Land!« Thea schüttelte angewidert den Kopf.
Said und Philip lachten.
»Was ist so komisch?«
»Genau die gleichen Worte gebrauchte Said immer, wenn wir durch die dichten Wälder deiner Heimat ritten.«
»Dort erstickt man wenigstens nicht.«
»Ich weiß. Man kann höchstens erfrieren.« Said grinste.
Auf einmal erfüllte ein seltsames Donnern die Luft. Philip fuhr herum, und Lena sah, wie seine Hand zum Säbel glitt. Auf dem Kamm der Düne waren mehrere Reiter aufgetaucht. Sie verharrten, und der schwache Schein der Fackel spiegelte sich in ihren Waffen.
»Auf die Pferde!«, befahl Philip. »Lena, du bleibst bei mir! Thea, du nimmst Lenas Pferd!« Dann sah er Lena an. »Weißt du noch damals, als wir auf Hinnerk trafen? Halt dich gut an mir fest!«
Sie nickte, stieg hinter ihm aufs Pferd und umklammerte seinen Leib, so fest sie konnte. Keinen Augenblick zu früh, denn schon trieben die Fremden ihre Pferde an und ritten die Düne herab. Der Sand und der steile Hang verhinderten, dass sie ihre Tiere zum Galopp zwingen konnten, und gewährten damit einen kleinen Aufschub.
»Wollen wir kämpfen oder fliehen?«, fragte Said.
»Wohin sollten wir fliehen?« Philip wies in die dunkle Wüste. »Außerdem haben wir die ganze Zeit auf sie gewartet.«
»Du meinst, es ist Khalil?«
Lena konnte Saids Zweifel nachvollziehen. Die Reiter waren zwar zu fünft, aber ihre Gesichter waren verhüllt, ihre Gewänder ebenfalls von rotem Staub bedeckt. Auch sie waren Opfer des Sandsturmes geworden. Hatten sie sich bis zum Brunnen geflüchtet und den Schein der Fackel bemerkt? Unwillkürlich krampften sich Lenas Hände fester um Philips Körper. Er strich ihr sanft über die Hände.
»Wir waren doch schon in einer ähnlichen Lage«, flüsterte er. »Keine Sorge, mit denen werden wir fertig!«
Trotz seiner beruhigenden Worte war Philip nicht ganz so gelassen, wie er vorgab. Seine eigene Unruhe schien sich auf das Pferd zu übertragen, das unruhig tänzelte und zurückwich, ganz anders als sein treuer Rappe, den er auf der Reise in den Harz geritten hatte.
Der Angriff erfolgte schnell und voller Heftigkeit. Lena schloss die Augen, als sie den Ruck verspürte, der Philips Leib durchfuhr, bevor das Pferd angaloppierte.
»Seht nur, der Hund lebt noch!«, hörte sie einen Mann schreien.
»Und der dreckige Schakal ebenfalls!« Das war Theas Stimme. Einen Lidschlag lang öffnete Lena die Augen, sah, dass Thea ihr Kopftuch gelöst hatte und mit offenem Haar und gezogenem Schwert auf einen der Männer zugaloppierte.
Metall schlug auf Metall, Flüche, Schreie, Pferde wieherten. Sie spürte, wie sich Philips Muskeln verkrampften, wie er mit seinem Säbel gegnerische Hiebe abfing. Fühlte die Hitze der Feinde, nahm Philips Bemühen wahr, ihnen niemals den Rücken zuzukehren, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Und konnte doch nichts anderes tun, als die Augen fest zu schließen und still zu beten. Wie im Sandsturm. Sie versuchte sich klein zu machen, unsichtbar, damit sie ihn nicht behinderte. Und achtete doch auf jedes Zucken seiner Muskeln. Schreie! Ein Mann stürzte zu Boden. Lena wagte nicht hinzusehen, wer es war.
Ein weiterer Schrei! Fast zeitgleich zuckte Philip zusammen, keuchte auf.
»Bist du verletzt?«, rief sie voller Angst. Er antwortete nicht, doch die Anspannung seines Körpers
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