Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Straßen wieder das tägliche Leben. Die Zeremonie zu Ehren des Seth schien beendet zu sein. Thea betrat den Palast, vorbei an Dienstboten, die den Boden mit so viel Eifer wischten und polierten, dass sie sich im Marmor spiegeln konnte. Die Tür zu Philips Gemach war nur angelehnt. Sie öffnete sie und wurde von Said sogleich mit einem »Psst!« empfangen. Schweigend wies er auf Lena, die noch immer Philips Hand hielt, aber am Rand des Bettes in sitzender Haltung eingeschlafen war.
»Sie hat die ganze Nacht bei ihm gewacht«, flüsterte Said. »Und wollte nicht von seiner Seite weichen.«
»Wie geht es ihm?«, flüsterte Thea zurück. Er machte ihr ein Zeichen, ihm nach draußen zu folgen.
»Er hat noch immer hohes Fieber«, erklärte er, nachdem sie sich einige Schritte von der Zimmerflucht entfernt hatten. »Die hiesigen Ärzte verwenden seltsame Heilmittel. Ich weiß nicht, ob ich sie weiter gewähren lassen soll oder nicht. Aber welche Hoffnung haben wir sonst?«
»Von welchen Heilmitteln sprichst du? Von Krötenaugen und Salamandern?«
Said verdrehte die Augen. »Fast so schlimm. Sie wollten es mir zunächst nicht verraten, aber ich habe es trotzdem herausbekommen. Sie lassen bestimmte Früchte absichtlich verschimmeln. Wenn der Schimmel eine gewisse Färbung angenommen hat, ein ganz besonderes Grün, dann kratzen sie ihn ab und verrühren ihn zu einer stinkenden Salbe. Und die haben sie Philip in die Wunde gestrichen. Weil sie meinen, Böses könne nur mit Bösem bekämpft werden.«
»Wer weiß, vielleicht nutzt es etwas.«
»Oder es bringt ihm noch schneller den Tod.«
»Kannst du ihn retten?«
Said senkte den Blick. »Wenn ich es könnte, hätte ich es längst getan.«
»Also bleibt uns nichts anderes übrig als abzuwarten. Und keine Sorge, so schnell stirbt man nicht an verschimmeltem Obst.«
»Er hat es nicht gegessen, sie haben es ihm in die Wunde gestrichen!«, brauste Said auf.
»Schrei nicht so, sonst weckst du Lena, und das wolltest du doch verhindern!« Thea funkelte Said an, und er schwieg tatsächlich.
»Wo treiben sich eigentlich Bertram und die Waffenknechte herum?«, fragte sie dann.
»Ich glaube, im Garten. Rupert und Witold betrachten unsere derzeitige Lage mit beneidenswerter Gelassenheit.«
»Und Bertram?«
»Zieht ein Gesicht, als wäre er in der Hölle gelandet.«
»Ach, hat er durch seine Augengläser geblickt und erkannt, wie sich die jungen Mädchen hier kleiden? Dabei sollten Männer bei solchen Anblicken doch eher ans Paradies denken, oder etwa nicht?«
»Lass ihn! Er hat sein eigenes Leid zu tragen.«
Gerade als Thea eine spitze Bemerkung machen wollte, wurde sie von einem Diener angesprochen.
»Du bist Thea, nicht wahr?«
»Ja. Was willst du von mir?«
»Der erhabene Sethemhat verlangt dich zu sprechen.«
»Mich?«
Der Mann nickte. »Bitte folge mir!«
Said sah Thea fragend an, doch sie hob nur die Schultern. Ob Sethemhat wohl erfahren hatte, dass sie den Mann im Raubtiergehege niedergeschlagen hatte? Und wenn ja, war das überhaupt von Bedeutung? Der Bursche war zudringlich geworden, er hatte es nicht anders verdient.
Zu ihrem Erstaunen erwartete Sethemhat sie nicht im Innern des Palastes, sondern im Garten. Wollte er etwa mit ihr lustwandeln?
»Danke, du kannst gehen«, beschied er den Diener, der sich wortlos verneigte und rückwärts entfernte.
Thea verschränkte die Arme vor der Brust. »Was willst du von mir? Du rufst mich einfach so herbei, als wäre ich deine Magd.«
»Deine Art, mit Höhergestellten umzugehen, ist wirklich …«
»Bemerkenswert?«, unterbrach Thea ihn. »Wolltest du das sagen?«
Statt kühler Überlegenheit zeigte seine Miene einen Augenblick lang höchste Verblüffung. »Nein, eigentlich wollte ich es dreist nennen. Aber du hast recht, es ist bemerkenswert dreist.«
»Wenn wir schon bei Dreistigkeiten sind« – Thea sah ihn scharf an –, »wie kommst du überhaupt darauf, du könntest mir gegenüber höhergestellt sein?«
Zu ihrer Überraschung lachte Sethemhat. »Vielleicht, weil ich der Herrscher dieser Stadt bin.«
»Bin ich dein Gast oder deine Gefangene?«
»Eigentlich mein Gast, mit der Ausnahme, dass du nicht selbst entscheidest, wann du gehen kannst.«
»Gut, wenn ich dein Gast bin, erinnere ich dich an das Gesetz der Wüste, demzufolge Gäste wie Könige bewirtet werden.«
Thea ließ sich auf einem der beiden Scherenstühle nieder. »Wir sind uns also gleichgestellt, erhabener Sethemhat.«
»Sind wir
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