Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
sprechen. Er entscheidet, ob ein Mann würdig ist, die Probe anzutreten.«
»Wie sieht die Probe aus?«
»Er muss den Pfad der Götter lebend überqueren.«
»Wie ist das zu verstehen?«
»Das wird er an jenem Tag erfahren, da die Probe stattfindet.«
Pachet erhob sich. »Und nun muss ich dich bitten zu gehen. Meine Pflichten der Göttin gegenüber rufen mich.«
Lena war erstaunt. Was war geschehen? Wann hatte sie Pachets Wohlwollen verloren? Als sie nach der Probe der Götter fragte? Oder schon als sie den Schmerz in den Augen der Priesterin entdeckt hatte?
Immerhin hatte sie mittlerweile einen Grund, Tenem aufzusuchen. Und einen Ansatzpunkt für Philip und Said. Der Pfad der Götter … Wie auch immer dieser beschaffen sein mochte.
Im Tempel des Seth wurde sie freundlich von Cheribakef empfangen.
»Ich freue mich, dass du uns erneut die Ehre deines Besuches erweist.«
»Ich danke dir.«
»Was kann ich für dich tun?«
»Die Hohepriesterin der Isis riet mir, mich an den Hohepriester des Seth zu wenden. Es geht um die Probe der Götter.«
Cheribakefs eben noch leuchtendes Gesicht verfinsterte sich. »Die Probe der Götter? Ihr wollt Djeseru-Sutech verlassen?«
»Ist das so schwer zu verstehen? Auf uns alle warten Familienangehörige. Ich habe einen kleinen Ziehsohn, der mich braucht.«
»Das verstehe ich gut. Aber die Probe birgt große Gefahren.«
»Das erwähnte Pachet bereits. Sie sprach vom Pfad der Götter.«
Cheribakef nickte. »Warte hier! Ich frage den edlen Tenem, ob er dich empfängt.«
Lena musste nicht lange warten. Der Hohepriester des Seth war bereit, sie anzuhören. Cheribakef führte sie in ein fensterloses kleines Gelass am Ende des Tempels. Zwei große Feuerschalen erhellten den dunklen Raum, der ansonsten völlig leer war. Tenem stand zwischen den Feuerschalen, in einen kurzen Schurz gekleidet und mit einem prächtigen Kragen aus Edelsteinen um den Hals, der ihm bis über die Brust reichte. Sein kahl geschorenes Haupt glänzte im Schein der Flammen.
Einen Augenblick lang überlegte Lena, welches wohl die angemessene Begrüßung für den Hohepriester des Seth war, doch er ließ ihr keine Zeit dazu. »Du warst bei Pachet?«, fuhr er sie auf Arabisch an.
Lena zuckte zusammen. »Ja, ehrwürdiger Tenem«, bemühte sie sich so höflich wie möglich zu antworten. Sie sah ihm in die Augen. Sein Blick wirkte seltsam starr. Plötzlich fühlte Lena sich an einen anderen Blick erinnert. Lange war es her, noch vor der Zeit, da sie Philip begegnet war. Eines Tages hatten die Nonnen ihr ein junges Mädchen gebracht. Niemand wisse, so die Ordensschwestern, ob es die Stimme der Mutter Gottes oder die des Teufels in sich höre. Vielleicht sei die Kleine auch schlichtweg irrsinnig. Sie hatte dem Mädchen in die Augen gesehen und etwas bemerkt, das ihr nie zuvor in der Flamme eines Menschen aufgefallen war: Der Blick war ebenso starr wie der des Hohepriesters gewesen, doch auf seltsame Weise entrückt von der Welt. Die Seelenflamme leuchtete hell, aber sie besaß nicht das kräftige Gelb derer, die mit sich im Reinen waren, und zeigte auch nicht das bunte Schillern jener, die eine reiche Phantasie besaßen. Nein, die Flamme wies einen grünlichen Schimmer auf, und er verstärkte sich, als das Mädchen Lena von den Stimmen erzählte, die es hörte. Verworrene Geschichten, bar jeglichen Sinnes. An jenem Tag hatte Lena zum ersten Mal das leuchtende Grün des Wahnsinns in den Augen eines Menschen gesehen.
In Tenems Augen leuchtete eine starke gelbe Flamme.
»Warum hat Pachet dich zu mir geschickt?«, fragte er.
»Ich bat sie, mir etwas über die Probe der Götter zu erzählen.«
»Die Probe der Götter, ich höre. Wer ist der Abkömmling? Dein Gatte?«
Lena nickte.
»Dein Gatte ist schwer verwundet. Er würde die Probe niemals überstehen.«
»Noch nicht, aber er wird genesen. Und er ist bereit, alles zu wagen, um zu seiner Familie zurückkehren zu können.«
Auf einmal ging ein Ruck durch Tenems Körper. »Du meinst, ich solle es gestatten?«, fragte er. Lena war sicher, dass er nicht zu ihr gesprochen hatte, denn seine Augen starrten an ihr vorbei, so als stünde ein Dritter im Raum. Doch da war niemand. Tenems Blick fiel wieder auf Lena. So kalt, als könne er die Wüste in Eis verwandeln.
»Der Gott ist einverstanden«, erklärte er. »Aber betrachte es nicht als Gnade, denn das Blut der Frevler wird die heilige Erde tränken.« Lena fröstelte. Und dann sah sie, wie sich das helle Gelb
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