Sündenkreis: Thriller (German Edition)
es nicht gerade SAW sein muss.«
»Nichts mit Mördern, keine Thriller, kein Horror. Verstanden.« Sie sah Jos Lächeln und erwiderte es. »Dann wollen wir mal schauen, was es sonst noch gibt. Gehen wir hinterher noch etwas trinken?«
»Von mir aus. Ich hoffe nur, wir treffen keine Kollegen. Zur Not kann ich am Montag wieder in die Redaktion gehen und so tun, als wäre ich plötzlich genesen.«
»Guter Plan.« Jo betrachtete die Liste der Filme neben den Kassen.
»Dann können wir nachher auch gleich besprechen, wie wir morgen vorgehen. Von Robert Wessel und Nina Bernstein haben wir ja die Adressen. Wir könnten noch ein paar Klinken putzen. Wen wollen wir uns zuerst vornehmen?«
»Äh, Lara … ich …« Sie sah die Verlegenheit in seinem Gesicht, noch bevor er die nächsten Sätze aussprach.
»Ich habe vorhin Mark angerufen.« Er streckte das Kinn vor wie ein trotziges Kind. »Er ist entsetzt.« Jo redete jetzt schneller. Wahrscheinlich, um zu verhindern, dass sie ihn unterbrach. »Wir sollen gar nichts mehr auf eigene Faust unternehmen. Da ist mit Sicherheit ein Serienkiller am Werk. Wir sollen ihm unsere Unterlagen schicken. Er wird sich um die Sache kümmern.«
»Du hast Mark angerufen?« In Laras Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander wie das Kartenspiel von Alice im Wunderland . Zorn mischte sich mit Enttäuschung und Verbitterung. »Und er ist ›entsetzt‹? War das das Wort, das er gebraucht hat?« Ein Pärchen schaute herüber, und Lara funkelte die beiden wütend an.
»Du hast dich ein bisschen verrannt, Lara. Ich meine es nur gut.« Jo versuchte, ihren Arm zu berühren, aber sie schlug seine Hand weg.
»Verrannt, ach so?«
»Ich fürchte, das wächst uns über den Kopf. Ist es nicht besser, wenn sich Profis um die Sache kümmern? Du bist Journalistin, ich Fotograf. Was können wir zwei schon ermitteln? Lara, bitte, denk einmal vernünftig darüber nach!«
»Ich bin also unvernünftig? Wolltest du das damit sagen?«
»Nein, ich …« Wieder streckte er den Arm aus, aber Lara hatte sich bereits abgewandt. Tränen drängten nach oben und wollten heraus. Jetzt fiel ihr sogar Jo schon in den Rücken! Hatten sich denn alle gegen sie verschworen? Sie nestelte ein Taschentuch aus der Umhängetasche und schnäuzte sich. Jo stand wie ein begossener Pudel neben ihr.
»Ich fahre jetzt nach Hause. Dir wünsche ich viel Spaß im Kino.« Ohne einen weiteren Blick marschierte Lara los. Die Schaufenster verschwammen vor ihren Augen. Bitterkeit quoll im Hals nach oben und ließ sie schlucken. Der Verrat ätzte Löcher in ihre Speiseröhre. Im Davonlaufen hörte sie Jo etwas Unverständliches rufen. Lara lief schneller. Wenn er es wagte, ihr hinterherzulaufen, würde sie einen Tobsuchtsanfall bekommen, so viel war sicher. Aber Jo folgte ihr nicht. Sie konnte es nicht sehen, aber der Freund stand mit hängenden Schultern vor all den hell erleuchteten Schaukästen und schaute auf den Boden.
34
Romain Holländer schloss die zweifach gepanzerte Tür seiner »Meditationskammer« hinter sich ab. Hier unten roch es immer ein wenig dumpf, auch wenn das alte Mauerwerk absolut trocken war. Er zündete ein Weihrauchstäbchen an und setzte sich an seinen Schreibtisch. Die beiden Bildschirme erwachten fast gleichzeitig zum Leben, der Rechner summte leise.
Es war vier Uhr früh, die beste Zeit, um Dinge zu erledigen, die nur ihn etwas angingen. Seine Schäfchen schliefen tief und fest, vor sechs Uhr würde sicherlich keiner erwachen, und sollten sie oder ihre Kinder doch aus ihren Träumen hochschrecken, galt das Gebot, bis zur Morgenspeisung in den Zimmern zu bleiben, um die anderen nicht zu stören. Hier unten würde ihn zudem keiner belästigen. Die Kinder des Himmels wussten, dass ihr Prinzipal einen Rückzugsraum im Keller hatte, den nur er allein betreten durfte. Die Anwesenheit von Gemeindemitgliedern würde die Schwingungen des Raumes nachhaltig hemmen und seine Kontemplation blockieren.
Der Prinzipal hatte unzählige Aufgaben, bei denen er Ruhe und Konzentration benötigte; zum Beispiel die Vorbereitung der Gruppentreffen und Andachten oder die spirituelle Formulierung seiner Botschaften. Niemand durfte ihn dabei stören. Er selbst fühlte keine Müdigkeit, sondern Vorfreude. Vorfreude auf die sonntägliche Andacht nach der morgendlichen Speisung, bei der ihm Konrad, sein blondgelockter Putto, zur Hand gehen würde.
Romain Holländer steckte die externe Festplatte an den Computer und rief den Ordner mit den
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