Sündenzeit
aufgelesen. Vielleicht hat er sein Gedächtnis verloren.“
„Du meinst, er leidet unter Amnesie?“
„Ja, warum nicht? Das ist doch möglich.“
„Sean, ich habe in allen Krankenhäusern der Gegend nachgefragt. Nirgends ist ein Patient eingeliefert worden, auf den Eddies Beschreibung passt.“
Sean zögerte. „Und du hast die Leichenhallen auch überprüft, oder?“
„Ja.“
„Und nirgends ein Eddie, richtig?“
„Nein“, bestätigte Zach erneut.
„Vielleicht hat ihn jemand gekidnappt“, überlegte Sean laut.
„Ja, vielleicht“, kam es wenig überzeugt von Zach. „Wo ist denn Amanda überhaupt?“
„Im Hotel. Sie war völlig fertig vor Sorge um mich und von der ganzen Strapaze, sich um mich zu kümmern … du weißt schon. Wie auch immer, ich habe ihr geraten, sich einen Tag freizunehmen. Sich eine Massage zu gönnen. Heute Abend wird sie noch mal vorbeikommen. Sie will dich unbedingt sehen.“
„Ja, sicher.“ Zach klang allerdings nicht, als würde er das glauben. „Was ist mit dem Arzt? Ich muss mit ihm reden. Kat wird meinen Kopf fordern, wenn ich nicht mit einer Liste deiner Medikamente und ausführlichen Anweisungen wiederkomme, was du tun und was du lassen musst.“
Caer hörte Schritte auf dem Flur. Wahrscheinlich war Seans Arzt auf dem Weg hierher. Sie schlüpfte aus der Nische und ging den Flur entlang in die andere Richtung zu Michaels Büro.
„Hilfe! Ist da draußen jemand?“, kam eine schwache Stimme aus einem der Krankenzimmer.
Caer blieb stehen, drehte sich um und ging hinein. Eine gebrechliche alte Frau lag in einem der Betten. Sie sah aus, als hätte sie bereits mehrere Leben hinter sich, eines härter als das andere.
„Hallo. Was brauchen Sie denn?“, erkundigte sich Caer freundlich.
„Nur dieses Fernsehding da, meine Liebe. Ich will nicht klingeln und eine Schwester mit so einer Lappalie belästigen. Aber ich komme da nicht ran. Es ist runtergefallen.“
Caer lächelte und bückte sich nach der Fernbedienung. „Die sollte eigentlich mit einer Schnur am Bett befestigt sein“, sagte sie. „Ich werde Bescheid sagen, dass jemand kommt und das repariert.“
„Ach, Sie sind so freundlich, meine Liebe.“ Caer blickte die Patientin an. Sie war alt und abgearbeitet, aber ihre Augen strahlten. Ihre Hand, die sie auf Caers Arm gelegt hatte, war knochig und voller Altersflecken, doch ihr Griff war erstaunlich fest. Aus zusammengekniffenen Augen sah sie Caer an, als würde sie etwas beunruhigen. Doch dann lächelte sie schwach. „Freundlich und liebenswürdig sind Sie.“
Caer drückte kurz die Hand der Frau und zog sich eilig zurück. Dabei warf sie einen flüchtigen Blick auf das Namensschild am Bett. „Mrs McGillicutty, wenn Sie noch irgendetwas brauchen und selbst nicht rankommen, dann klingeln Sie einfach, ja?“
„Ich will niemandem zur Last fallen“, erwiderte Mrs McGillicutty.
„Sie fallen niemandem zur Last, wirklich, das dürfen Sie nicht denken“, sagte Caer nachdrücklich. „Und ich werde gleich jemanden vorbeischicken, der die Fernbedienung wieder befestigt.“
Als sie gerade zur Tür hinauswollte, kam ihr eine Frau entgegengeeilt. Caer schätzte sie um die vierzig. Sie war attraktiv, wirkte aber müde und gestresst. Zögernd lächelte sie Caer zu. „Ist alles in Ordnung? Meine Mutter ist …?“ Ihr Lächeln verblasste.
„Alles okay. Sie hatte nur ein kleines Problem mit der Technik – die Fernbedienung ist runtergefallen“, beruhigte Caer sie. Die Frau atmete sofort erleichtert auf und ging zum Krankenbett. Sie beugte sich hinunter, nahm die Hand der alten Frau und küsste sie auf die Wange.
„Mary, meine Liebe. Schön, dich zu sehen.“
Mrs McGillicutty drückte die Hand ihrer Tochter, und ihre Augen strahlten.
Caer beobachtete die Szene gerührt und spürte, wie ihr die Tränen kamen. Erschrocken über diese Gefühlsanwandlung wischte sie sich ungeduldig über die Augen. So eine liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Tochter war einfach wunderbar.
„Diese hübsche Schwester wird dafür sorgen, dass ich mein Fernsehding hier nicht mehr verliere“, sagte Mrs McGillicutty lächelnd und drehte sich zu Caer um.
„Mary hat den Pub meines Mannes übernommen, nachdem er dahingeschieden ist“, erklärte sie stolz. „Sie müssen unbedingt mal dort vorbeigehen – es ist nur die Straße hinunter. Er heißt ‚Irish Eyes‘.“
„Mum“, sagte Mary schnell. „Ich bin sicher, sie hat was Besseres zu tun.“
„Ich würde sehr gern
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